Gefälschte Nachrichtenseiten Flut an getarnten Desinformationen
Angebliche Meldungen der tagesschau und anderer seriöser Medien: Urheber von Fake News fälschen Nachrichtenseiten, um irreführende Inhalte zu tarnen. Dahinter stecken auch kriminelle Betrüger und Investitionsfallen.
Ein angeblicher tagesschau-Artikel kursiert derzeit gerade wieder in den sozialen Netzwerken. In dem Artikel heißt es, Markus Lanz sei "stinksauer" aufgrund der Zensur einer "Höhle der Löwen"-Folge, in der angebliche lukrative Bitcoin-Investmentsysteme vorgestellt worden waren.
Die Sendung dürfe nicht ausgestrahlt werden, obwohl ein System vorgestellt werde, "mit dem der deutsche Bürger ganz einfach von zu Hause aus 7.380,10€ verdienen kann - und das PRO TAG." "Eine absolute Schande, dass die Politik sich wieder einschaltet und das System geheim halten will", soll Lanz im Gespräch mit der tagesschau-Redaktion gesagt haben.
Ein gefälschter Artikel suggeriert, dass es sich um einen tagesschau-Beitrag handelt. Dahinter steckt jedoch eine betrügerische Investitionsfalle.
Doch gibt es weder die angeblich zensierte Sendung, noch hat ein tagesschau-Gespräch mit Lanz dazu je stattgefunden. Hinter dieser Fälschung stecken betrügerische Investitionsfallen, die Geschäftemacher in unterschiedlicher Weise immer wieder verbreiten, um fragwürdigen Geldanlagen einen seriösen Anstrich zu verpassen. So kursierten dieselben Inhalte bereits im April im Design verschiedener Medien in den sozialen Netzwerken.
Gängige Methode von Cyberkriminellen
Die gefälschte Meldung ist kein Einzelfall, sondern es handelt sich um eine Masche, um falsche Informationen als seriöse Nachrichtenmeldung zu tarnen - und so Menschen gezielt in die Irre zu führen und ihnen in diesem Fall ihr Geld aus der Tasche zu ziehen.
Julia Smirnova, Analystin für das "Institute for Strategic Dialogue" (ISD) sagt, dass Cyberkriminelle geklonte Webseiten regelmäßig für Betrug, Phishing oder der Verbreitung von Schadsoftware nutzen würden. "Betrüger nutzen solche Clones, um etwa falsche Artikel über angeblich besonders lukrative Investitionen in bestimmte Kryptowährungen zu posten." Auch Fake-Shops sind ein Mittel, um Nutzerinnen und Nutzer zu betrügen und um ihr Geld zu bringen.
Einige der geklonten Webseiten würden trügerisch echt aussehen, so dass Nutzerinnen und Nutzer, die etwa über eine Anzeige auf die Seite gelangten und den Artikel lesen, nicht merken würden, dass sie sich auf einer falschen Seiten befinden, so Smirnova. "In Zeiten schnelllebiger Kommunikation genügt oft bereits eine vertrauenswürdig anmutende Artikelvorschau mit Überschrift, damit die Falschinformationen weiterverbreitet werden."
Groß angelegte pro-russische Desinformationskampagne
Die Intentionen hinter gefälschten Nachrichtenseiten sind vielfältig. Auch politisch motivierte Desinformationsakteure nutzen die Methodik zunehmend. Im Zuge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine wurde die Fälschung deutscher Nachrichtenseiten zur Verbreitung pro-russischer Desinformation in großem Maße angewandt, wie eine "t-online"-Recherche aufdeckte.
Das Facebook-Mutterunternehmen "Meta" sprach Ende September davon, ein russisches Netzwerk vom Netz genommen zu haben, welches ein koordiniertes inauthentisches Verhalten an den Tag gelegt habe. Meta bezeichnete es als "die größte und komplexeste russische Operation", die das Unternehmen seit dem Beginn des Angriffkriegs auf die Ukraine identifiziert habe.
Nach Meta-Angaben registrierten die Akteure hinter der Kampagne mehrere Hundert Domains, die den Domains etablierter Medien nachempfunden waren. Sie erstellten Hunderte Profile bei Facebook, Instagram und Twitter, legten Telegram-Kanäle an, verbreiteten Petitionen und schalteten Werbung auf Facebook und Instagram.
"Die Kampagne zielte auf die maximal breite Öffentlichkeit, da die Links zu gefälschten Nachrichtenseiten in Anzeigen auf Facebook oder in Kommentaren zu Posts von populären Facebook-Seite verbreitet wurde", sagt Smirnova, die für das ISD dazu eine Studie veröffentlicht hat.
Inhaltlich habe die Kampagne darauf abgezielt, "die westliche Unterstützung für die Ukraine zu untergraben, gegen Geflüchtete aus der Ukraine zu hetzen und Angst vor der Energiekrise zu schüren." Die Spuren der Operation führen laut ISD nach Russland. Dafür sprechen die Inhalte, die sprachlichen Fehler und die russischen Ausdrücke in den Video-Metadaten. Aufgrund der mangelnden Qualität der Fälschungen konnten zahlreiche falsche Konten von den automatisierten Systemen der Plattformen erfasst und entfernt werden.
Europaweite Kampagne
Nicht nur in Deutschland, sondern europaweit verbreiteten sich seit Beginn des Ukrainekriegs als Nachrichten getarnte Desinformationen. So kursierte in sozialen Medien ein Video, das angeblich von der BBC stammen soll. Demnach hatte der britische Sender am 11. April eine Aussage von Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron zitiert, wonach die Sanktionen gegen Russland zu 60 Millionen Flüchtlingen führen würden. Doch gibt es weder eine entsprechende Meldung der BBC, noch das Zitat von Macron, wie Reuters und France24 feststellten.
Die BBC bietet für solche Fälle eine Seite mit Hinweisen an, was Menschen tun können, wenn sie auf eine gefälschte Nachrichtenseite stoßen oder gefälschte E-Mails erhalten.
Rechtliche Handhabe schwierig
Eine Hilfeseite, wie bei der BBC, hält Tobias Keber, Professor für Medienrecht und Medienpolitik in der digitalen Gesellschaft an der Hochschule der Medien (HdM) Stuttgart für sinnvoll. So könnten seriöse Medienhäuser ihren Leserinnern und Lesern erläutern, was für betrügerische Seiten derzeit im Umlauf seien und die Falschinformationen richtigstellen.
Auch rechtlich könnten Medienhäuser gegen derlei Fake-Seiten vorgehen. "Wenn jemand einer Desinformation das Kleid der tagesschau überzieht und so tut, als sei es die tagesschau, können markenrechtliche und urheberrechtliche Ansprüche erhoben werden", sagt der Medienrechtler. Vor diesem Hintergrund hätten die Medien auch einen zivilrechtlich einklagbaren Anspruch darauf, dass ihre Webseite nicht von Dritten gefaked oder in Misskredit gebracht werde, indem Falschinformationen unter dem Label der tagesschau verbreitet würden.
"Das Problem ist aber, diesen Anspruch durchzusetzen", erläutert Keber. "Denn wenn Sie eine Klage oder eine einstweilige Verfügung einreichen wollen, brauchen Sie einen identifizierbaren Beklagten mit zustellungsfähiger Adresse. Das heißt, Sie müssen formal wissen, 'Wer ist mein Gegner' und 'Wo kann ich den erreichen?' Das ist das zentrale Problem."
Selbst wenn der Verfasser bekannt sei, könnten Verfahren viel Zeit in Anspruch nehmen. Das könne den Kampf gegen Fake News erheblich erschweren. So sei es wohl häufig für Medien zielführender, digitale Kompetenz zu vermitteln, um Leserinnen und Leser für Desinformationen zu sensibilisieren und ihnen Werkzeuge an die Hand zu geben, um diese zu identifizieren.
Wie erkenne ich gefälschte Nachrichtenseiten?
Um gefälschte Nachrichten, die sich als seriöse Medien tarnen, zu erkennen, ist es sinnvoll zu prüfen, ob die Meldung tatsächlich auf der betreffenden Nachrichtenseite zu finden ist. Dies lässt sich mit einer Abfrage über eine Suchmaschine erledigen; hilfreich ist dabei der Einsatz von Suchoperatoren.
So können auf Google beispielsweise alle Beiträge auf tagesschau.de zu den Schlagwörtern Lanz und Höhle der Löwen gefunden werden:
site:tagesschau.de lanz höhle der löwen
Außerdem lässt sich über weitere Operatoren beispielsweise der Zeitraum eingrenzen. Eine Übersicht der Suchmöglichkeiten bietet unter anderem Google selbst. Zudem ist es sinnvoll, auf anderen bekannten Nachrichtenseiten zu schauen, ob es dort entsprechende Berichte oder Informationen gibt.
Screenshots mit Originalmeldungen vergleichen
Des Weiteren lohnt sich oft ein genauerer Blick auf den Screenshot des vermeintlichen Artikels. Durch das Abgleichen mit tatsächlichen Meldungen der Nachrichtenseite lassen sich oft Fehler zum Beispiel in der Schriftart, der Farbgestaltung, dem Datumsformat oder in der Anordnung der Überschrift finden. Auch Rechtschreibfehler können Fälschungen als solche identifizieren.
Liegt nicht nur ein Screenshot vor, sondern auch ein Link zu einer Webseite, kann das Impressum wichtige Aufschlüsse über die Echtheit des Inhalts geben.
Wichtig ist, sich bewusst zu machen, wie leicht Screenshots und Fotos manipuliert werden können - beispielsweise, in dem man sie aus ihrem Kontext reißt. Um nicht selbst unbeabsichtigt Falschmeldungen zu verbreiten, ist es also wichtig, erst denken - dann möglicherweise teilen.
Smirnova rät außerdem, dass man keine verdächtigen Links in Emails, WhatsApp-, Facebook-Nachrichten oder in Internet-Anzeigen anklicken sollte. Es sei darüber hinaus ratsam, die URL in der Adresszeile des Browsers zu überprüfen und bei Zweifel mit einer Whois-Abfrage darauf zu schauen, wo, wann und von wem die Domain registriert wurde.