Spekulation um Fremdenlegion Keine französischen Legionäre in der Ukraine
Soldaten der französischen Fremdenlegion kämpfen nicht in der Ukraine - das stellte das französische Verteidigungsministerium klar. Sicherheitsexperten zufolge würde das auch keinen Sinn ergeben.
Insgesamt 1.500 Legionäre werde Frankreich für den Kampf in die Ukraine senden - etwa Hundert Mann seien bereits vor Ort. Diese Behauptung wird zuletzt immer wieder auf Telegram und dem Kurznachrichtendienst X geteilt. Doch was ist da dran?
"Keine französischen Soldaten in der Ukraine"
Obwohl Frankreichs Präsident Emmanuel Macron den Einsatz französischer Bodentruppen in der Ukraine immer wieder ins Spiel brachte, kämpfen dort nach offiziellen Angaben nach wie vor keine Soldaten der französischen Armee. Das bekräftigte das französische Verteidigungsministerium auf eine Anfrage des ARD-faktenfinders.
Der Generalstab der Streitkräfte schrieb dazu, französische Soldaten seien etwa in Estland und in Rumänien im Einsatz. Zudem beteiligten sich französische Soldaten an Missionen aus der Luft - etwa einer Operation mit dem Titel "AirShielding". Dazu seien Soldaten des Landes etwa in Polen, Bulgarien, Rumänien und Kroatien. Dabei verweist der Generalstab auf eine Karte, in der alle Einsätze der französischen Armeen verzeichnet sind. In der Ukraine ist entsprechend kein Einsatz verzeichnet.
Die Fremdenlegion ist eine Spezialeinheit des französischen Heeres, in der Freiwillige aus unterschiedlichen Ländern dienen. Laut der Sicherheitsexpertin Stefanie Babst untersteht sie dem französischen Oberbefehlshaber und letztendlich dem Präsidenten.
Regiment auf Französisch-Guyana stationiert
Der Sicherheitsexperte Nico Lange stuft die Information als Falschnachricht ein. Er erklärt, das 3. Infanterie-Regiment der Fremdenlegion, das angeblich in der Ukraine kämpft, sei auf Französisch-Guyana stationiert und in verschiedenen Kompanien mit unterschiedlichen Strukturen auf den Dschungelkampf spezialisiert. Lange fügt im Gespräch mit dem ARD-faktenfinder hinzu: "Warum sollen die Franzosen Einheiten, die auf Dschungelkampf spezialisiert sind, in die Ukraine schicken? Ergibt ja gar keinen Sinn."
Laut Lange seien auch Ukrainer und Russen Teil der Fremdenlegion. "Das ist auch bekannt, dass es da viele Leute gibt, die aus Staaten der ehemaligen Sowjetunion kommen und dass sowohl Russen als auch Ukrainer in der Fremdenlegion dienen", führt Lange aus. Wie viele Russen und Ukrainer das aktuell seien, dazu gebe es keine Auskünfte.
Das russische Narrativ der Söldner
Es gebe in der Ukraine durchaus "ausländische Staatsbürger, die sich insbesondere am Anfang des Krieges freiwillig gemeldet haben", erklärt Lange. Die Ukraine habe allerdings die Erfahrung gemacht, "dass das nicht so sinnvoll ist, weil sich ganz schwer prüfen lässt, was eigentlich die Hintergründe dieser Menschen ist - etwa der Ausbildungsstand." Mittlerweile sind laut Lange deshalb nur noch sehr wenige von diesen ausländischen Freiwilligen überhaupt übrig geblieben, die integriert wurden und tatsächlich mit den ukrainischen Streitkräften kämpfen.
Dass es diese Menschen überhaupt gibt, werde auf russischer Seite für Propaganda genutzt. "Es gibt natürlich ein russisches Propagandanarrativ, das sagt, es sind ausländische Söldner in der Ukraine, weil man aus russischer Perspektive immer die Geschichte erzählen muss, dass man nicht gegen die Ukraine militärische Schwierigkeiten hat, sondern gegen die NATO und ausländische Söldner."
Russlandfreundlicher Autor verbreitete These
In dem Zusammenhang verweist Sicherheitsexperte Lange auf einen Artikel der Zeitung Asia Times, in dem die These der Fremdenlegionäre in der Ukraine befeuert wird. Als Autor wird dort Stephen Bryen genannt - laut Lange ein Mann, der für prorussische Artikel bekannt ist.
Tatsächlich berief sich Bryen selbst auf Anfrage mehrerer Medien auf einen Bericht des russischen Staatssenders Sputnik - mit dem Hinweis, dass er nicht wisse, ob dieser korrekt sei. Die Zeitung Asia Times hat mittlerweile einen Vermerk über den Artikel platziert, wonach der Artikel aus Bryens Newsletter stammt und nach Veröffentlichung verändert wurde.
Sogar ein Hinweis auf die Reaktion Frankreichs findet sich dort - dennoch bleibt die Zeitung bei der Darstellung, französische Soldaten der Fremdenlegion würden in der Ukraine kämpfen. Als Quellen werden nun Sputnik und Pravda verlinkt - auch letzteres ist für die Verbreitung von russischer Propaganda bekannt. Der Link auf Sputnik ist in Deutschland nicht abrufbar.
Frankophobie im Kreml?
Dass sich die verschiedenen prorussischen Kanäle gegenseitig bei den Inhalten als Quelle heranziehen, ist aus Sicht von Julia Smirnova Teil der Strategie. Smirnova ist Senior Researcher am Institute for Strategic Dialogue Germany (ISD). Sie sagte dem ARD-faktenfinder zuletzt: "In den letzten Monaten kam es häufiger vor, dass angebliche Investigativjournalisten in den sozialen Netzwerken über vermeintlich brisante Recherchen geschrieben haben und das dann von prorussischen Websites und Kanälen aufgegriffen wurde."
Die EU-Beobachtungsstelle gegen Desinformation "EU vs Disinfo" beobachtet schon seit Längerem eine gezielte Kampagne Russlands gegen Frankreich. So heißt es in einem Text von Anfang April: "In den letzten Wochen und Monaten haben wir eine fortlaufende Desinformationskampagne beobachtet, die sich gegen Frankreich und die Präsidentenfamilie richtet."
Zusammen mit der Erklärung von Präsident Macron, dass eine militärische Unterstützung der Ukraine nicht ausgeschlossen werden sollte, habe der Kreml "eine aggressivere Kampagne gestartet, um die französischen Behörden zu untergraben". Unter anderem werden demnach Desinformationen über die angebliche massive Online-Rekrutierung von Soldaten durch Frankreich verbreitet - genauso wie das Narrativ, wonach sich Frankreich angeblich bereits an der bevorstehenden Aufteilung der Ukraine beteiligt.
Ausländische Soldaten in der Ukraine immer wieder Thema
Bereits Anfang des Jahres waren Spekulationen über Soldaten von westlichen Ländern auf ukrainischem Boden immer wieder Thema gewesen. So hatte Bundeskanzler Olaf Scholz Ende Februar vor Journalisten sein Nein zur Lieferung von "Taurus"-Marschflugkörpern in die Ukraine unter anderem damit begründet, dass Deutschland sich nicht mit Soldaten an der Zielsteuerung beteiligen werde - weder von Deutschland aus noch vor Ort.
Scholz hatte hinzugefügt: "Was an Zielsteuerung und Begleitung der Zielsteuerung vonseiten der Briten und Franzosen gemacht wird, kann in Deutschland nicht gemacht werden." Das war von einigen Beobachtern als Bestätigung von Scholz für die Präsenz westlicher Soldaten in der Ukraine wahrgenommen worden.
Der britische Premierminister Richi Sunak lies daraufhin verlauten, Großbritannien verfüge "über eine geringe Anzahl von Kräften, die wir zur Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte im Land haben", habe jedoch "keinerlei Pläne für einen großangelegten Militäreinsatz". Großbritannien habe nur wenig Personal im Land, "um für die Sicherheit unserer diplomatischen Präsenz zu sorgen und die ukrainischen Streitkräfte zu unterstützen, unter anderem durch medizinische Ausbildung".
Auch im Zusammenhang mit der sogenannten Taurus-Abhöraffäre hatte der Kreml dem Westen eine direkte Verwicklung in den Krieg in der Ukraine unterstellt. Experten wie Rafael Loss, Policy Fellow am European Council On Foreign Affairs (ECFR), erklärten in dem Kontext, von Aktivitäten in der Ukraine alleine ließe sich keine Kriegsbeteiligung ableiten. Es komme darauf an, "mit welchen Aufgaben diese Leute konkret betraut sind."