EU-Parlamentspräsident Auch zweiter Wahlgang bringt keine Entscheidung
Auch nach dem zweiten Wahlgang steht noch nicht fest, wer neuer Präsident des EU-Parlaments wird. Beste Chancen hat weiterhin der Kandidat der konservativen EVP, Tajani. Die absolute Mehrheit verfehlte er allerdings erneut
Bei der Suche nach einem Nachfolger für EU-Parlamentspräsident Martin Schulz hat auch der zweite Wahlgang keine Entscheidung gebracht. Die meisten Stimmen erhielt erneut der Kandidat der Europäischen Volkspartei, der Italiener Antonio Tajani. Für ihn votierten 287 Abgeordnete, sein Konkurrent, der Sozialist Gianni Pittella bekam 200 Stimmen. Beide gelten als Favoriten, verfehlten aber die notwendige absolute Mehrheit der gültigen Stimmen. Diese lag im zweiten Wahlgang bei 346 Stimmen.
Ein ähnliches Bild hatte es nach dem ersten Wahlgang gegeben. Entschieden wird das Rennen spätestens im vierten Durchgang, wenn eine einfache Mehrheit reicht.
Rückzug von Verhofstadt
Die übrigen vier Kandidaten stammen aus kleinen Fraktionen und haben nur wenig Rückhalt. Tajanis Chancen hatten sich vor der Wahl durch einen Pakt zwischen EVP und den Liberalen stark verbessert. Die beiden Fraktionen vereinbarten eine gemeinsame politische Agenda. Darin ist unter anderem von einer Grundsatzdebatte und tiefen Reformen der EU und von einem möglichen Verfassungskonvent die Rede. Daraufhin zog der liberale Kandidat Guy Verhofstadt seine Bewerbung zurück.
Guy Verhofstadt verzichtet auf Kandidatur zum EU-Parlamentspräsident.
Sein Fraktionskollege Alexander Graf Lambsdorff bedauerte dies im Gespräch mit dem Sender Phoenix zwar, lobte aber die politische Vereinbarung zwischen EVP und die Liberalen als vernünftig und verantwortungsbewusst. "Wir wollen nicht Marine Le Pen oder irgendwelchen Ex-Kommunisten die Hoheit über die wichtigsten Entscheidungen in diesem Haus geben", sagte Lambsdorff, der derzeit Vizepräsident des Parlaments ist. Der deutsche Sozialdemokrat Schulz hatte Ende November seinen Wechsel in die Bundespolitik bekannt gegeben.
Antonio Tajani gehört zur Forza Italia des früheren Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi. Tajani, früher als Journalist tätig, hat die Partei mitgegründet.
Bevor Tajani 2010 Vize-EU-Kommissionspräsident mit Zuständigkeit Industrie wurde, war er ab 2008 EU-Kommissar für Verkehr - in der Zeit, als es bereits Hinweise darauf gab, dass Autohersteller bei den Abgaswerten manipuliert haben könnten. Es steht der Vorwurf im Raum, Tajani habe weggeschaut.
Für die Grünen gilt er als "unwählbar". Auch bei Sozialdemokraten, Linken, Liberalen und einzelnen Konservativen weckt Tajani Abwehrreflexe. Vielen gilt er als "Berlusconi-Freund" und politisch insgesamt zu weit rechts. Tajani gilt als Netzwerker. EVP-Fraktionschef Manfred Weber lobte ihn als "überzeugten Europäer".
Der Italiener Gianni Pittella gehört zur Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten (S&D) mit 189 Abgeordneten. Er sitzt seit 1999 im EU-Parlament, war zwischen 2009 und 2014 einer dessen Vizepräsidenten und 2014 bereits interimsmäßig EU-Parlamentspräsident, bis Martin Schulz in dem Amt bestätigt wurde. Seit 2014 ist Pittella Fraktionschef. Genau das aber ist ein Problem: Die EVP wirft ihm vor, mit seiner Kandidatur gegen die Vereinbarung zu verstoßen, nach der das Amt des EU-Parlamentspräsidenten nach zweieinhalb Jahren - also jetzt - an die EVP gehen soll. Pittella argumentiert dagegen, dass dann alle drei EU-Institutionen von der EVP geführt würden: EU-Kommissionspräsident ist Jean-Claude Juncker, Donald Tusk steht dem Europäischen Rat vor.
Der studierte Mediziner Pittella gilt als versierter Europapolitiker, dem viel an der europäischen Integration gelegen ist. Im EU-Parlament selbst will er für mehr Transparenz und demokratischere Prozesse sorgen. Auch seine Fraktion braucht Verbündete, um Pittella in den ersten Wahlgängen die nötige absolute Mehrheit zu verschaffen.