Von der Leyen trifft Johnson Diplomatie vor Brexit-Phase zwei
Am 31. Januar wird Großbritannien die EU wohl verlassen - doch dann folgen Verhandlungen über die künftigen Beziehungen. Diese will von der Leyen bei ihrem Besuch in London vorbereiten, denn die Zeit ist knapp.
Es ist Ursula von der Leyens erster Besuch in Großbritannien seit ihrem Amtsantritt als EU-Kommissionspräsidentin vor gut fünf Wochen. Und er ist eine Demonstration guten Willens: Ihr Vorgänger Jean-Claude Juncker hatte sich mit Fahrten auf die Insel stets zurückgehalten und die jeweiligen britischen Premiers lieber in Brüssel oder im heimischen Luxemburg empfangen. Nicht zuletzt, weil er fürchtete, ein Auftritt in der Downing Street könnte auf eingefleischte Brexiteers und EU-Gegner eher provozierend wirken.
Diese Sorge braucht sich die Kommissionschefin aus Deutschland nicht zu machen, denn der EU-Austritt der Briten zum 31. Januar ist nach Lage der Dinge kaum noch aufzuhalten. Nach dem überwältigenden Wahlsieg im Dezember hat Boris Johnson innenpolitisch praktisch freie Hand und man kann sich voll auf die anstehenden Verhandlungen über ein umfassendes Partnerschafts- und Freihandelsabkommen konzentrieren.
Dass die Gespräche ein Erfolg werden und dass sie vor allem zügiger verlaufen als jene über den 600-seitigen Scheidungsvertrag, daran haben beide Seiten großes Interesse. Experten sagen jedoch auch voraus, dass sie extrem komplex und schwierig werden und die verbleibende Übergangsphase von rund elf Monaten viel zu knapp bemessen ist. Eine mögliche Verlängerung um bis zu zwei Jahre hat Premier Johnson bereits ausgeschlossen.
Noch kein offizieller Start von Phase zwei
Auch wenn der versierte Chefverhandler der EU, Michel Barnier, seine Kommissionspräsidentin begleitet: Allzu sehr ins Detail werden von der Leyen und ihr Gastgeber bei diesem Treffen noch nicht gehen. Bei der Kommission wird betont: Die Begegnung markiere nicht den offiziellen Start von Brexit-Phase zwei - es gehe vielmehr darum, den nahen Austritt des Vereinigten Königreichs zu besprechen und das bevorstehende Jahr "in all seinen Dimensionen".
Gegen Mittag will von der Leyen in der renommierten "London School of Economics" eine Rede halten. Ihren mehrmals bekundeten Wunsch, Großbritannien möge auch künftig ein Freund, Partner und Verbündeter sein, dürfte sie da wiederholen. Allerdings auch ihre Mahnung, keine Zeit mehr zu verlieren und sich konstruktiv zu zeigen.