US-Wahl 2024
US-Wahlkampf Wird Vance zur Belastung für Trump?
Anfangs hatte die Wahl Trumps für seinen Vize Vance etwas Aufregendes. Doch mittlerweile machen dessen abfällige Provokationen den Republikanern Sorgen. Und neue Wählerschichten kann er wohl auch nicht erschließen.
"Kinderlose Katzenfrauen" - in der deutschen Übersetzung vermittelt sich kaum die Brisanz dieses Schmähwortes. In den USA jedoch weiß jeder, was mit "Cat Lady" gemeint ist: Eine leicht gestörte, schrullige Einzelgängerin, die ihr ganzes Liebesbedürfnis an ihrer Katze auslebt.
Dass der republikanische Kandidat fürs Amt des Vizepräsidenten, J.D. Vance, die amtierende Vizepräsidentin Kamala Harris und den offen homosexuellen Verkehrsminister Pete Buttigieg so betitelte, ist nicht nur deshalb starker Tobak, weil beide Adoptivkinder haben. Vance' Provokation war offenbar kein Ausrutscher: Mehr und mehr werden jetzt ähnlich lautende Aussagen aus seiner Vergangenheit ausgegraben.
Aufschrei der Empörung
So hat er im Mai 2019 bei einer Rede behauptet, Menschen mit Kindern seien stärker mit ihrer Gemeinde und ihrem Land verbunden. Babys seien eine gute Sache, "weil wir keine Psychopathen sind". Anderthalb Jahre später gab er in einem Podcast zum Besten, die meisten Gestörten auf Twitter seien Leute ohne Kinder.
Menschen, die aus welchem Grund auch immer keine eigenen Kinder haben, als weltfremd, abgehoben, ja sogar als gestört zu diffamieren: Das hat einen Aufschrei der Empörung provoziert, der Vance offenbar unvorbereitet traf. Anfangs versuchte er, die Kritik ins Lächerliche zu ziehen, spielte seine Bemerkung als Sarkasmus herunter und sagte, dass er doch selber Katzen liebe.
Aber so richtig locker lassen mochte er nicht. Im Kern habe er recht damit, dass Amerika familienfeindlich geworden sei, die Linke kinderfeindlich. Schließlich bemühte Vance noch die rechte Mär vom angeblichen Bevölkerungsaustausch: Die Demokraten wollten ohnehin eigene Kinder durch Migranten ersetzen.
Erschließt keine neuen Wählerschichten
Wo Vance hier die Zügel entglitten sind, ist die Rolle, die ihm ursprünglich zugedacht war. Als der Gegner noch Joe Biden hieß, hielt der Kandidat der Republikaner, Donald Trump, es für einen gelungenen Coup, mit dem 38 Jahre alten Vance einen Vertreter einer jüngeren Generation an der Seite zu haben.
Die Personalie hatte kurzzeitig etwas Aufregendes. Trumps Entscheidung für den Quereinsteiger stellte den größtmöglichen Kontrast dar zu dem braven Parteisoldaten, mit dem er seine erste Amtszeit gestaltet hatte: Mike Pence.
Aber in seiner Siegesgewissheit verzichtete Trump darauf, einen "Running Mate" zu wählen, der neue Wählerschichten erschließt. Wie Trump versteht es auch Vance, mit großen Entertainer-Qualitäten die loyale Fanbasis zu berauschen. Da zieht auch der "Cat Lady"-Spruch. Aber Wechselwähler der Mitte dürften die Bierzelt-Provokationen eher abstoßen.
Versuch, Debatte umzudeuten
Und so versuchen die Republikaner jetzt, die Debatte umzudeuten: Vance, der die prekären Familienverhältnisse, aus denen er selber stammt, in seinem Bestseller "Hillbilly Elegy" aufgearbeitet hat, sei halt ein leidenschaftlicher Familienmensch.
So sieht es auch sein Boss. "Er liebt Familie", gab Trump gestern Abend auf Fox News zum Besten: "Er ist ja selber in einer sehr interessanten Familiensituation aufgewachsen. Daher hält er Familie für etwas Gutes!"
Wahlkampfstrategie muss angepasst werden
Doch so gelassen, wie sie tun, beurteilen die Republikaner die Vance-Debatte und den veränderten Wahlkampf nicht. Der Washington Post ist der Mitschnitt einer Begegnung von Vance mit Parteispendern zugespielt worden.
In geschütztem Raum widerspricht er auf dem Band der offiziellen Parteilinie. "Die schlechte Nachricht lautet, dass Kamala Harris nicht die gleichen Altlasten wie Biden mitschleppt", hört man Vance in dem Mitschnitt sagen. Und: "Harris ist auch deutlich jünger!" Nach außen hin behauptet das Trump-Lager dagegen, Harris sei leichter zu schlagen als Biden, weil sie für die exakt gleichen Inhalte stehe, allenfalls noch weiter links sei.
Allein das Aufholen Harris' in den Umfragen und ihre Rekord-Spendeneinnahmen führen den Republikanern vor Augen, wie dringend sie ihre Wahlkampfstrategie anpassen müssen. Eine langanhaltende Kontroverse über Vance' vorgestriges Familienbild kann die Partei gerade gar nicht gebrauchen.