Budapest übergibt an Warschau Gemischte Bilanz für Ungarns EU-Ratspräsidentschaft
Die Pläne waren ehrgeizig: Nach einem fulminanten Wahlsieg im April 2010 wollte Ungarns Regierungschef Viktor Orban seine innenpolitische Machtfülle auch in Brüssel nutzen. Etwa im Kampf gegen die Schuldenkrise, für den EU-Beitritt Kroatiens oder für die Eingliederung Rumäniens und Bulgariens in den EU-Schengenraum ohne Grenzkontrollen. Nach sechs Monaten geht die EU-Ratspräsidentschaft Ungarns zuende. Morgen übernimmt Polen.
Von Jörg Paas, ARD-Hörfunkstudio Südosteuropa
Die krisenerprobten Ungarn, so Orban zu Beginn der EU-Präsidentschaft im Januar, seien besonders geeignet, in schwierigen Zeiten eine führende Rolle zu übernehmen: "Vor der EU steht ein beispiellos schweres halbes Jahr. Nie waren die Herausforderungen größer. Wir Ungarn schrecken davor nicht zurück. Probleme machen uns erst den richtigen Appetit. Wenn es um Krisenbewältigung geht, sind wir die Besten und sehr kreativ."
Abgekanzelt von Barroso
Doch schon der Start war überschattet von innenpolitischen Kontroversen, in die sich am Ende auch die EU-Kommission einschaltete: Im Streit um ein neues ungarisches Mediengesetz musste Orban sich von EU-Kommissionspräsident Manuel Barroso wie ein schlechter Schüler abkanzeln lassen: Pressefreiheit sei ein heiliges Prinzip der Europäischen Union.
Ungarns Regierungschef räumte taktische Fehler ein, ließ das Gesetz entschärfen, aber nicht alle Bedenken wurden damit ausgeräumt. Der sozialdemokratische Medienpolitiker Laszlo Mandur klagt: "Da wurde eine Medienbehörde geschaffen, die nur mit einer militärischen Organisation vergleichbar ist. Eine mächtige Zentrale ohne wirkliche zivile Kontrolle.“
Die Proteste im In- und Ausland beeindruckten Orban jedoch kaum, sondern stachelten ihn eher noch an: "Mit uns wird niemand so schlecht umgehen wie mit der letzten, sozialistischen Regierung. Wir lassen uns von niemandem etwas vorschreiben. Und wir lassen uns auch keine Kontrolleure vor die Nase setzen."
Opposition fürchtet um Ruf des Landes
Immer wieder stand Ungarns Regierung aus innenpolitischen Gründen im Kreuzfeuer der Kritik. Laszlo Kovacs, sozialistischer Ex-Außenminister und ehemaliger EU-Kommissar, fürchtet, dass dieser Eindruck die Zeit der ungarischen EU-Präsidentschaft überdauern wird: "Niemand wird sich später an die durchaus positiven europapolitischen Initiativen erinnern, sondern daran, dass hier ein relativ junges EU-Mitglied ohne Scheu gleich eine ganze Reihe von Schritten unternahm, die zur Zerstörung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit führen und den Normen und Werten der EU widersprechen.“
Umstritten bleibt auch die von Ungarn ausgearbeitete Roma-Strategie. Zwar wurde das Dokument, das die Situation der zwölf Millionen Roma in Europa verbessern soll, in Brüssel gelobt und vom EU-Parlament einstimmig gebilligt. Roma-Verbände bezweifeln jedoch die Wirksamkeit des Papiers, zumal es keinerlei Mittel zur Durchsetzung der Ziele vorsieht.
Orbans Selbstbewusstsein ungebrochen
Regierungschef Orban hebt in seiner Bilanz vor allem die finanzielle Konsolidierung seines zuletzt krisengeschüttelten Landes hervor: "Ich kann Ihnen versichern, dass Ungarn heute ein Staat ist, der zu den Wirtschaftserfolgen der EU beiträgt, der transparent ist, berechenbar und stabil. Und der seine Staatsschulden kontinuierlich abbaut.“
Kritiker erkennen zwar auch die wirtschaftlich politischen Fortschritte Ungarns an, befürchten aber zugleich, dass Orbans autoritärer Regierungsstil nach der Zeit der EU-Präsidentschaft noch deutlicher zutage treten wird als bisher schon.