Präsidentenwahl in der Türkei Erdogan liegt laut Teilergebnissen vorne
Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu führt Amtsinhaber Erdogan bei der türkischen Präsidentenwahl deutlich. Bislang ist aber nur die Hälfte der Stimmen ausgezählt - und die Opposition wirft Anadolu Manipulation vor.
Bei der Präsidentenwahl in der Türkei liegt Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan nach ersten, noch nicht belastbaren Teilergebnissen der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu vorne. Nach Auszählung von etwa der Hälfte der Stimmen kommt Erdogan von der AKP demnach auf rund 52 Prozent. Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu von der CHP liegt mit rund 42 Prozent auf dem zweiten Platz.
Im Gegensatz dazu zeigte sich Kilicdaroglu optimistisch: "Wir liegen vorn", twitterte der 74-Jährige während der Stimmenauszählung. Auf welche Daten er sich bezog, schrieb er nicht. Sein Parteikollege, der Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoglu, erklärte: "Unser Präsidentschaftskandidat, Herr Kilicdaroglu, wird heute Abend als Präsident verkündet. Das können wir sagen, und daran glauben wir." Der Sprecher der CHP, Faik Öztrak, sagte, die ersten Daten, die sie erhielten, seien "äußerst positiv" für die Opposition. Er warf Anadolu "Manipulation" vor.
Die Staatsagentur veröffentlicht in der Regel zunächst die Auszählungsergebnisse in Erdogan-Hochburgen. Die ersten Daten lassen daher noch keine Rückschlüsse auf das Endergebnis zu.
Kilicdaroglu in Vorwahlumfragen vorne
In Vorwahlumfragen hatte Erdogan zuletzt hinter Kilicdaroglu gelegen. Wenn keiner der beiden Kandidaten die absolute Mehrheit gewinnt, ist am 28. Mai eine Stichwahl fällig.
Die Wahlbeteiligung in der Türkei ist traditionell hoch, vor Wahllokalen bildeten sich heute lange Schlangen. Stimmberechtigt waren bei der Präsidenten- und Parlamentswahl mehr als 64 Millionen Menschen, darunter 1,5 Millionen in Deutschland lebende Türkinnen und Türken.
"Von dem, was wir hören, war zumindest in Deutschland die Wahlbeteiligung so hoch wie noch nie", sagte der Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Istanbul, Kristian Brakel, auf tagesschau24. "Und, das wissen wir aus der Vergangenheit, diejenigen Deutschtürken, die zur Wahl gehen, die wählen auch mit Masse tatsächlich für die AKP."
Manipulationsvorwürfe in Internetvideos
In der Türkei wurden rund 192.000 Wahlurnen aufgestellt. Hunderttausende Beobachter von Regierung und Opposition sind im Einsatz. Der Chef der türkischen Wahlkommission YSK hatte am Nachmittag mitgeteilt, die Wahl sei ohne größere Zwischenfälle verlaufen. Anadolu zitierte ihn mit den Worten: "Bis jetzt verliefen die Wahlen ohne Probleme".
In Internetvideos wurden jedoch Manipulationsvorwürfe erhoben: Darin ist etwa zu sehen, wie jemand den Wahlstempel scheinbar reihenweise bei Präsident Erdogan von der AKP setzt - in der Türkei werden Wahlzettel gestempelt und nicht von Hand ausgefüllt. Ein weiteres Video zeigt, wie jemand auf mehreren Stimmzetteln Erdogans AKP markiert. Wahlbeobachter der CHP sollen bei der türkischen Wahlbehörde Einspruch eingelegt haben.
"Der Präsident benutzt seine Machtposition"
Die prokurdische Oppositionspartei HDP bestätigte der Nachrichtenagentur dpa zudem einen Medienbericht, wonach im südosttürkischen Mardin Wahlbeobachter der Schwesterpartei YSP angegriffen wurden. Es sei zum Streit gekommen, nachdem Beobachter mehr als einem Familienmitglied den Zutritt zur Wahlkabine verweigert hätten.
Laut Brakel hat es solche Zwischenfälle auch schon bei vergangenen Wahlen gegeben - vor allem im Südosten des Landes. Den meisten Menschen sei es in der Regel aber möglich, ihre Stimme am Wahltag "relativ frei" abzugeben. Unfair gestalte sich hingegen der Wahlkampf: "Der Präsident bekommt natürlich sehr viel mehr Zeit in dem größten Teil der regierungsgesteuerten Medien zugestanden. Er benutzt seine Machtposition, die Gelder, die ihm zur Verfügung stehen, um Wahlgeschenke zu machen", sagte Brakel auf tagesschau24.
Erdogan mächtigster Staatschef seit Atatürk
Der seit mehr als zwei Jahrzehnten regierende Erdogan ist inzwischen der mächtigste Staatschef der Türkei seit Atatürk. Allerdings hat seine Popularität zuletzt gelitten, unter anderem wegen der hohen Inflation, die die Lebenshaltung für viele Türkinnen und Türken drastisch verteuert.
Erdogans Herausforderer Kilicdaroglu hatte angekündigt, die Türkei wieder in eine parlamentarische Demokratie transformieren zu wollen, die Befugnisse des Präsidenten zu beschneiden und die Unabhängigkeit der Justiz zu sichern. Zudem will er Friedenssicherung zum zentralen Bestandteil seiner Außenpolitik machen.