Aus Lager in Nordsyrien Kurden melden Ausbruch von IS-Angehörigen
Während der Kämpfe in Nordsyrien sind nach kurdischen Angaben fast 800 Insassen eines Gefangenenlagers ausgebrochen. Es soll sich um Angehörige von IS-Kämpfern handeln. Die USA kündigten indes an, weitere Soldaten abzuziehen.
Mehrere Hundert Insassen des Lagers Ain Issa in Nordsyrien haben Gefechte zwischen Kurdenmilizen und der türkischen Armee offenbar genutzt, um aus dem Lager zu entkommen. Nach dem Beschuss seien sie auf das Wachpersonal losgegangen, so die Darstellung von Lukman Ahmy, Sprecher der syrisch-kurdischen Selbstverwaltung: "785 IS-Leute: Das sind Kämpfer und ihre Familien, die aus dem Lager wegen des türkischen Beschusses entkommen konnten. Damit ist genau das eingetreten, wovor wir immer gewarnt haben."
Ein Anführer der Syrischen Demokratischen Kräfte, kurz SDF, erklärte weiter, es gebe schlicht nicht genug Wachpersonal. Viele SDF-Kämpfer seien an die Front beordert worden. Verbliebene Wärter liefen nach dem Beschuss durch das türkische Militär vom Lager Ain Issa weg. Jetzt seien da nur noch 60 bis 70 Wächter postiert. Vor der türkischen Offensive waren es normalerweise rund 700 - für mehr als 10.000 Lagerinsassen, vor allem Familien von IS-Kämpfern.
Türkei setzt Offensive fort
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hingegen bezeichnete die Nachricht nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu als "Desinformation". Sie diene lediglich dazu, den Westen "aufzuwiegeln". Zahlreiche Politiker, darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel, hatten zuvor die Sorge geäußert, dass der IS mit der Militäroffensive gegen die Kurdenmilizen wiedererstarken könnte.
Die Türkei setzte am Sonntag ihre Offensive in Nordsyrien fort. Anadolu meldete die vollständige Einnahme des Zentrums der Stadt Tall Abjad.
Bei einem türkischen Luftangriff wurden nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zehn Menschen getötet. Sie seien Teil eines Konvois von Zivilisten und ausländischen Journalisten gewesen. Damit sei die Zahl der zivilen Opfer der türkischen Offensive am Sonntag auf mindestens 26 gestiegen.
Die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (Syrian Observatory for Human Rights, SOHR) sitzt in Großbritannien und will Menschenrechtsverletzungen in Syrien dokumentieren. Sie bezeichnet sich als unabhängig. Die Informationen der Beobachtungsstelle lassen sich nicht unabhängig überprüfen.
USA kündigen weiteren Abzug von Truppen an
Angesichts der Kämpfe wollen die Vereinigten Staaten alle dort verbliebenen Truppen abziehen. Es sei unvertretbar, die etwa 1000 Soldaten dort zu lassen, kündigte US-Verteidigungsminister Mark Esper an. Die Entscheidung sei von Trump nach Gesprächen mit seinem Sicherheitskabinett getroffen worden. Die US-Truppen seien in einer "unhaltbaren Situation" und zwischen vorrückenden kurdischen und türkischen Einheiten "gefangen".
"In den letzten 24 Stunden haben wir erfahren, dass die Türkei ihre Offensive weiter südlich und weiter westlich fortsetzen wird als ursprünglich geplant", sagte er dem Sender CBS. Die USA hätten nicht genug Soldaten, um den türkischen Vormarsch zu stoppen. Sie müssten daher aus der Schusslinie genommen werden.
Die Türkei hatte am Mittwoch mit ihrem Militäreinsatz im Norden Syriens begonnen, nachdem die USA mehrere Dutzend Truppen im syrischen Grenzgebiet zur Türkei abgezogen hatten.