Kritik an Corona-Regeln Frust an der slowakischen Grenze
Die Slowakei hat mit am wenigsten Covid-19-Todesfälle und Infektionen in Europa. Die strikten Bestimmungen zur Einreise will das Land aber vorerst beibehalten - zum Frust von Pendlern und Familienangehörigen.
Die Frau ist erkennbar aufgebracht. Sie hat als Pflegerin in Tirol gearbeitet und will wie üblich nach ein paar Wochen wieder heim zu ihrer Familie in der Slowakei. Ihren Namen will sie im Fernsehen nicht nennen. "Es ist eine absolute Ungerechtigkeit. Wegen besserer Verdienste hat uns ja der Staat ins Ausland vertrieben. Jetzt werden wir bei der Rückkehr wie Abfall in Autobusse geladen und wer weiß wohin gefahren."
Aber die Corona-Reiseregeln der Slowakei kennen da nichts. Wer aus dem Ausland heimkommt, muss erst einmal in eine staatliche Quarantäne-Einrichtung. Fällt dort ein Covid-19-Test negativ aus, kann er den Rest der zweiwöchigen Isolierung daheim verbringen. Ist der Test positiv, bleibt der Betreffende so lange in staatlicher Quarantäne, bis ein negativer Test vorliegt, unter Umständen mehrere Wochen.
Ombudsfrau kritisiert Missachtung der Verfassung
Für Maria Patakykova, die vom Parlament gewählte Ombudsfrau, sind diese Regeln zu streng und rechtlich fragwürdig. "Wenn wir die Beschwerden anschauen, die bisher bei uns eingegangen sind, sieht es danach aus, dass mit der staatlichen Quarantäne Verfassungsrechte missachtet wurden. Ich wäre froh, wenn wir so etwas vermeiden könnten."
Maria Patakyova ist für die Einhaltung der Bürgerrechte in der Slowakei zuständig. Und sie sieht jede Menge Anhaltspunkte, dass die im Interesse der Pandemie-Bekämpfung ignoriert werden. "Ein Problem ist die Pflicht, sich in staatliche Quarantäne zu begeben. Auch werden Menschen mit Wohnsitz in der Westslowakei einfach in Einrichtungen im Osten gebracht. In den Bussen sind Menschen zusammen, die sich nicht kennen und nichts über den Gesundheitszustand des anderen wissen."
13 Euro pro Tag für Quarantäne-Verpflegung
Und die Unterkünfte sind auch von sehr unterschiedlicher Qualität. Glück hat, wer in einem Hotel in der Tatra landet. Weniger Glück hat, wer in einem Hochschulinternat in der Ostslowakei abgesetzt wird. Und gratis ist das ganze auch nicht. 13 Euro pro Tag werden für Verpflegung berechnet.
Igor Matovic, nunmehr seit zweieinhalb Monaten Premier der Slowakei, lässt die Kritik am Zwang zur staatlichen Quarantäne nicht gelten. "Mehr als 200 Infizierte wurden durch dieses System gefunden. Stellen wir uns nur einmal vor, wie die Slowakei aussehen würde, wenn sich diese positiv Getesteten hätten frei bewegen können. Ich möchte also die Ombudsfrau bitten, sich nur zu Dingen zu äußern, von denen sie etwas versteht."
Warten auf Tracing-App
Erst wenn Rückkehrer mit einem Handy überwacht werden können, also mit so einer Art digitaler Fußfessel, dann soll laut Matovic die staatliche Quarantäne beendet werden. Aber diese App lässt noch auf sich warten.
Der schärfste Kritiker am Grenzregime kommt aus seiner eigenen Koalition. Es ist immer wieder Wirtschaftsminister Richard Sulik von der neoliberalen SaS, der dem Premier widerspricht. "Ich neige dazu, dass es für Pendler und ihre Familien beim Grenzübertritt keine Behinderungen mehr geben sollte. Das ist doch die Grundidee von Schengen. Die wollen wir so schnell wie möglich wieder herstellen."
Verhandlungen mit Tschechien
Mit Prag wird derzeit schon mal über ein Mini-Schengen verhandelt. Denn die Grenzschließung zu Tschechien ist für die Menschen auf beiden Seiten besonders schmerzhaft. Viele Tschechen mit slowakischer Herkunft haben im Nachbarland ihre Familien und umgekehrt.
Prominente aus beiden Ländern haben in einer gemeinsamen Resolution dagegen protestiert, dass die Grenze zur Slowakei dicht ist. Für Richard Sulik gilt im Moment nur das Prinzip Hoffnung. Wenn alles gut geht, könnte die Grenze schon im Juni geöffnet werden.