Freie Medien in Serbien "Diskreditiert, behindert und bedroht"
Bilder von Demos gegen Präsident Vucic sind in serbischen Medien kaum zu sehen. Das Land soll bald der EU beitreten. Doch um die Pressefreiheit steht es schlecht, klagen serbische Journalisten.
Jugoslav Cosic sieht müde aus. Seit dem frühen Morgen ist der Nachrichten-Chef des privaten Serbischen Nachrichtensenders N1 unterwegs in Brüssel. Botschaftern, Kommissionsvertretern und Journalisten erzählt Cosic, wie schwierig freie Berichterstattung in Serbien geworden sei. Vor allem seit der regelmäßigen Demonstrationen in Belgrad gegen die serbische Regierung.
Wir sind der einzige TV-Sender, der vom ersten Tag an alle Proteste begleitet hat. Der seinem Publikum gezeigt hat, was wirklich los war. Wer uns nicht sieht, für den ist es schwer nachzuvollziehen, was auf der Straße passiert."
Auf Platz 90 abgerutscht
Als Partnersender von CNN operiert N1 in Serbien mit einer Lizenz aus Luxemburg. Seit das Kabelprogramm für die Balkanstaaten vor fünf Jahren auf Sendung ging, berichtet Cosic, werde N1 in Serbien diskreditiert, behindert und bedroht - über Online-Netzwerke und regierungsnahe Medien. Im aktuellen Ranking der weltweiten Pressefreiheit von "Reporter ohne Grenzen" ist Serbien auf Platz 90 abgerutscht.
Drohungen gegen seine Angestellten nimmt Cosic ernst. Erst im Dezember brennt in einem Belgrader Vorort das Haus eines serbischen Online-Journalisten. Ein halbes Jahr zuvor fallen im Nachbarland Montenegro Schüsse auf die Enthüllungsjournalistin Olivera Lakic. Vor zwei Wochen schließlich berichtet ein N1-Korrespondent, er sei von einem unbekannten Autofahrer von der Straße gedrängt worden, auf der Rückfahrt von einer oppositionellen Demonstration.
EU-Berichte - "und das war es dann"
Bei den EU-Institutionen, so Cosic, interessiere jedoch kaum jemanden die Gefahr für Journalisten in Serbien und anderen EU-Beitrittskandidaten. "Brüssel hat die Medien in Serbien fallen gelassen. Sie sind nicht bereit zu intervenieren." Die EU schreibe Jahr für Jahr in ihre Berichte, dass es in Serbien keine Fortschritte gebe "und das war es dann", so Cosic.
David McAllister will diese Anschuldigung nicht stehen lassen. Der CDU-Abgeordnete ist Vorsitzender im Außenausschusses und Serbien-Beauftragter des EU-Parlaments für den Beitrittsprozess. "Die aktuellen Berichte über Drohungen und Einschüchterung von Journalisten sind erschreckend, das ist absolut inakzeptabel", sagt er. Die Zahl strafrechtlicher Verurteilungen von Gewalt gegen Journalisten in Serbien sei zu gering. Es fehle ein deutliches Zeichen der serbischen Justiz. Die EU aber müsse dem serbischen Staat bei seinen Reformen helfen, statt etwa mit einem Ende der Beitrittsverhandlungen zu drohen.
"Rücktritt" - so lautet die Forderung dieser Demonstranten in Belgrad. Wie hier am 13. April gibt es immer wieder Demonstrationen gegen Serbiens Präsident Vucic. Doch in manchen Medien sind solche Bilder selten zu sehen.
EU-Erweiterung ohne hohe Priorität
Die Erweiterung genießt bei der EU derzeit keine politische Priorität. Weder in einflussreichen Mitgliedsstaaten wie Deutschland, noch bei der EU-Kommission. Zwar präsentierte Jean-Claude Juncker im vergangenen Jahr seine Westbalkan-Strategie und das Ziel, die Beitrittsverhandlungen mit Serbien bis Ende 2023 abzuschließen. Die Brüsseler Osteuropa-Analystin Otilia Dhand zweifelt jedoch daran, dass dieses Versprechen wirkt:
Es ist eine Frage der Glaubwürdigkeit: Die Beitrittskandidaten sehen eine zerstrittene EU, ein Mitglied tritt sogar aus. Was ist das Versprechen der Mitgliedschaft also noch wert? Diese Frage stellen nicht nur Regierungen, deren Motivation daraufhin abnehmen könnte, sondern auch die Bevölkerung.
Für mehr Motivation beim Schutz der Pressefreiheit könnten Angela Merkel und Emmanuel Macron sorgen. Sie haben die Staats- und Regierungschefs der sechs Westbalkan-Staaten für den 29. April zum gemeinsamen Dinner ins Berliner Kanzleramt geladen.