Frontex-Pläne der EU Dämpfer für Seehofer
Der Bundesinnenminister will das europäische Asylsystem reformieren - und dafür Frontex stärken. Doch die EU will die Gelder für die Grenzschutzagentur kürzen. Seehofer hofft nun auf das Europaparlament.
Für Bundesinnenminister Horst Seehofer ist es ein gewaltiger Dämpfer. Eigentlich will er im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft das europäische Asylsystem reformieren - eine Mammutaufgabe. Ein wichtiger Baustein für ihn: Die Stärkung der europäischen Grenzschutzagentur Frontex. Doch die EU durchkreuzt seine Pläne. Sie will deutlich weniger Geld für Frontex zur Verfügung stellen als die von Seehofer erhofften 10,3 Milliarden Euro. Nach den aktuellen Planungen würde Frontex zwischen 2021 und 2027 nur etwa halb so viel Geld bekommen - 43 Prozent weniger als von Seehofer gedacht.
Seehofers Plan für eine Asylreform
Der Kern seiner Asylreform: Bereits an der EU-Außengrenze, zum Beispiel in Italien oder Griechenland, soll - in möglichst schnellen Verfahren - entschieden werden, ob Schutzsuchende asylberechtigt sind oder nicht. Falls ja, sollen sie in der EU verteilt werden. Falls nein, sollen die abgelehnten Asylbewerber nicht in der EU verteilt werden, sondern direkt von der Außengrenze in die Herkunftsländer zurückgeführt werden. Für genau diese Rückführungen sollte - nach dem Willen Seehofers - eigentlich die europäische Agentur Frontex zuständig sein.
Das europäische Asylsystem funktioniert nicht
Dass das europäische Asylsystem reformiert werden muss, ist unstrittig. An der EU-Außengrenze, etwa auf Lesbos, leben Schutzsuchende oft jahrelang unter menschenunwürdigen Bedingungen. Fraglich ist jedoch, ob ausgerechnet eine Stärkung von Frontex das Problem verringern würde.
Der Europa-Abgeordnete Erik Marquardt von den Grünen sagt: Erst einmal müssten die Aufgaben von Frontex klar definiert werden. Die Vorstellung, Europa schicke 10.000 Beamte an die Außengrenze und könne so Flüchtlinge abhalten, sei verkehrt. Allerdings könne Frontex sehr wohl einen wichtigen Beitrag leisten.
Auf der einen Seite gehe es darum, Drogenschmuggel oder Menschenhandel zu unterbinden. Andererseits könne Frontex helfen, dass Schutzsuchende einen Zugang zu rechtsstaatlichen Asylverfahren bekommen oder aus Seenot gerettet werden. Derzeit ist dies häufig nicht möglich. In Griechenland etwa werden Schutzsuchende auf Booten davon abgehalten, anzulegen. Stattdessen werden sie auf dem Wasser in die Türkei zurückgedrängt.
Denkfabrik plädiert für Abkommen mit Herkunftsländern
Für Gerald Knaus von der Denkfabrik "Europäische Stabilitätsinitiative" ist Frontex allerdings nicht der Schlüssel zum Erfolg. Knaus hält zwar - ähnlich wie Seehofer - schnelle Asylverfahren an den Außengrenzen für sinnvoll. Ob die abgelehnten Asylbewerber zurückgeschickt werden könnten oder nicht, hänge aber nicht davon ab, ob zusätzlich etwa finnische oder ungarische Grenzschutzbeamte in Griechenland auf und ab marschierten.
Viel wichtiger seien Abkommen zwischen der EU einerseits und Herkunftsländern der Asylbewerber andererseits. Vereinfacht ausgedrückt: Wenn Europa den Herkunftsländern etwas anbietet, zum Beispiel legale Einreisemöglichkeiten für Touristen, Stipendien oder Jobs, wären die Herkunftsländer im Gegenzug bereit, alle ihre Bürger, die in Europa ausreisepflichtig sind, zurückzunehmen - so wie etwa die Ukraine heute.
EU bemüht sich um Kooperation mit Transitstaaten
Auch Seehofers Konzept beinhaltet Pläne zur legalen Einreise nach Europa sowie eine bessere Zusammenarbeit mit den Herkunfts- und Transitländern. Also auch eine bessere Kooperation mit den Ländern, durch die Schutzsuchende auf dem Weg nach Europa gereist sind.
Der Schwerpunkt scheint bislang allerdings auf der Kooperation mit den Transitstaaten zu liegen. Eine der ersten Maßnahmen während der deutschen Ratspräsidentschaft war eine Konferenz der EU-Innenminister mit Vertretern der nordafrikanischen Staaten. Statt sich also um Verträge mit Herkunftsländern zu bemühen, wollen die EU-Staaten offenbar lieber mit nordafrikanischen Staaten verhandeln.
Dabei scheuen sie auch nicht vor Absprachen mit dem Bürgerkriegsland Libyen zurück. Vereinfacht ausgedrückt zahlt Europa lieber Geld an die Transitländer, die ihnen die Flüchtlinge vom Leib halten sollen. Dass Flüchtlinge, die etwa in Libyen gestrandet sind, bereits den Bürgerkriegswirren zum Opfer gefallen sind und beschossen wurden, blendet die EU scheinbar aus.
Europäisches Parlament ist am Zug
Jetzt gibt es also auch noch weniger Geld als gedacht für den Grenzschutz auf europäischer Seite - das passt für Seehofer nicht ins Bild. Er will nun das Europäische Parlament um Hilfe bitten, um ein paar Milliarden Euro mehr für Frontex zu bekommen.
Das Parlament muss über den Finanzplan abstimmen und damit auch über die Gelder für Frontex. Die Sorge von Grünen-Politiker Marquardt: Die Mitgliedsstaaten wollten bei der Entwicklungszusammenarbeit und humanitären Hilfe kürzen, aber immer mehr Geld in Abschottung stecken. Damit wolle man offenbar Flüchtlinge statt Fluchtursachen bekämpfen.