Kanzler auf Nahostreise Scholz fordert Waffenruhe im Gazastreifen
Im Oktober war Kanzler Scholz zuletzt im Nahen Osten, kurz nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel. Nun ist er erneut in der Region - mit deutlichen Botschaften und Mahnungen.
Bundeskanzler Olaf Scholz hält sich zum zweiten Mal seit Beginn des Gaza-Kriegs im Nahen Osten auf. Dabei forderte er eindringlich eine Waffenruhe. "Es ist ganz klar, dass wir jetzt alles dafür tun müssen, dass die Situation nicht noch schlimmer wird als sie ist", sagte der SPD-Politiker nach einem Gespräch mit dem jordanischen König Abdullah in Akaba mit Blick auf eine mögliche israelische Bodenoffensive im Süden des Gazastreifens. "Ich glaube, dass eine große Zahl von Opfern bei einer solchen Offensive jede friedliche Entwicklung dann sehr schwer machen würde. Das wissen auch viele in Israel."
In Israel will Scholz am Sonntag zudem mit Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu, Präsident Izchak Herzog, Minister Benny Gantz sowie Angehörigen von Geiseln sprechen. Netanyahu machte unmittelbar vor dem Treffen klar, dass er an einem Militäreinsatz in Rafah an der Grenze zu Ägypten festhalte und ein Ende des Gaza-Krieges vor Erreichen aller israelischen Ziele entschieden ablehne.
"Wenn wir den Krieg jetzt beenden, bevor seine Ziele erreicht sind, bedeutet dies, dass Israel den Krieg verloren hat", sagte der Regierungschef. Dies werde man nicht zulassen. "Kein noch so großer internationaler Druck wird uns daran hindern, alle Kriegsziele zu erreichen", sagte Netanyahu. Israel wolle die Hamas zerstören, die Freilassung aller Geiseln erreichen und sicherstellen, "dass der Gazastreifen keine Bedrohung mehr für Israel darstellt".
Hilfsorganisationen warnen vor vielen zivilen Toten
Der Krieg war am 7. Oktober durch einen Terrorangriff der palästinensischen Hamas auf Israel ausgelöst worden. Israel will die Zerstörung der Hamas erreichen und die Geiseln aus der Gewalt der Terrororganisation befreien. Man geht davon aus, dass noch rund 100 von ihnen am Leben sind. Scholz war zehn Tage nach dem Hamas-Angriff erstmals nach Israel gereist, um dem Land die deutsche Solidarität zu versichern.
Der israelische Ministerpräsident hatte am Freitag die umstrittene Bodenoffensive in Rafah im Süden des Gazastreifens genehmigt. Dort suchen derzeit nach Schätzungen 1,5 Millionen Palästinenser auf engstem Raum und unter elenden Bedingungen Schutz vor den Kämpfen in den anderen Gebieten des Gazastreifens. Hilfsorganisationen warnen vor vielen weiteren zivilen Toten.
Auch der Bundeskanzler sagte mit Blick auf mögliche Opferzahlen: Es dürfe nicht dazu kommen, "dass jetzt viele, die in Gaza nach Rafah geflohen sind, unmittelbar bedroht sind" von militärischen Handlungen, mahnte Scholz. "Deshalb habe ich genauso wie der amerikanische Präsident sehr deutlich gemacht, dass wir finden, dass das jetzt hier etwas ist, wo man sehr, sehr, sehr sorgfältig alles tun muss, um weitere große Opferzahlen zu vermeiden."
Neuer Vorschlag der Hamas bei Friedensgesprächen
Mit Blick auf eine geplante Wiederaufnahme indirekter Verhandlungen über eine vorläufige Waffenruhe sagte Scholz, dass das Ziel jetzt eine länger anhaltende Feuerpause sei. Örtlichen Medienberichten zufolge will Israels Kriegskabinett noch am Sonntag mit Netanyahu zusammenkommen, um über die Entsendung einer Delegation nach Katar zu entscheiden. Dort sollen in der Hauptstadt Doha die zuletzt ins Stocken geratenen Gespräche über eine Waffenruhe weitergehen, nachdem die islamistische Hamas den Vermittlern einen neuen Vorschlag vorgelegt hatte.
Während Scholz in Akaba den jordanischen König traf, bereitete die Luftwaffe knapp 400 Kilometer entfernt auf der "King Abdullah Airbase" in der Nähe der Hauptstadt Amman weitere Hilfsflüge vor. Damit beteiligt sich Deutschland an der jordanischen Initiative einer Luftbrücke für den Gazastreifen. Nachdem am Samstag die erste Lieferung von vier Tonnen Lebensmitteln - unter anderem Reis und Mehl - aus einem Transportflugzeug an Fallschirmen über dem Norden des Palästinensergebietes abgesetzt wurde, erfolgte am Sonntag der zweite Hilfsflug. Auch mehrere andere Staaten hatten Transportflugzeuge im Einsatz.
Scholz teilte bei einer Pressekonferenz mit, dass Deutschland die jordanische Armee auch weiter mit Kerosin unterstützt. Jordanien gilt vielen Beobachtern als eines der Schlüsselländer bei den Bemühungen, in der aktuellen Situation mäßigend auf die palästinensische Seite einzuwirken. Denn rund 60 Prozent der jordanischen Bevölkerung haben palästinensischen Wurzeln. Außerdem hat es gute Beziehungen zu Israel und verwaltet gleichzeitig die drittheiligste Stätte des Islam - die Al-Aksa-Moschee in Jerusalem.
Mit Informationen von Tilo Spanhel, ARD-Studio Kairo