"Open Arms" im Mittelmeer EU-Länder wollen Migranten aufnehmen
Die Ungewissheit für fast 150 Gerettete an Bord der "Open Arms" scheint beendet - sechs EU-Staaten haben sich zur Aufnahme bereit erklärt. Das Schicksal des Rettungsschiffs sorgt in Italien für weitere politische Spannungen.
Für die Migranten an Bord des Rettungsschiffs "Open Arms" scheint eine Lösung gefunden: Sechs EU-Staaten sind nach Angaben der italienischen Regierung bereit, sie aufzunehmen. Deutschland, Frankreich, Rumänien, Portugal, Spanien und Luxemburg hätten sich dazu bereit erklärt, schrieb Regierungschef Giuseppe Conte in einem offenen Brief an Innenminister Matteo Salvini.
Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte, Deutschland habe sich bisher zur Aufnahme von mehr als 300 aus Seenot geretteten Menschen bereit erklärt. "Auch im Fall der Migranten auf der 'Open Arms' gilt: Die Bundesregierung verschließt sich einer Lösung nicht und ist hierzu im Gespräch mit der Europäischen Kommission." Ein EU-Kommissionssprecher sagte, die Brüsseler Behörde sei in Kontakt mit den Mitgliedsstaaten.
Hafeneinfahrt offenbar noch nicht genehmigt
Das Rettungsschiff der spanischen Organisation Proactiva Open Arms war seit Anfang August mit vor der libyschen Küste geretteten Flüchtlingen auf der Suche nach einem sicheren Hafen im Mittelmeer unterwegs. Per Dekret hatte Italiens Lega-Chef Salvini dem Schiff zunächst untersagt, in italienische Hoheitsgewässer einzufahren. Ein Gericht kippte gestern das Verbot, so dass die "Open Arms" heute die Küste von Lampedusa erreichte.
Dort wartet das Schiff offenbar nun darauf, einen Hafen ansteuern zu dürfen. "Weiterhin ohne Hafen, aber das Ende dieses Alptraums nähert sich", twitterte die Organisation. Das spanische Fernsehen zeigte Bilder der Migranten, die bei hohem Wellengang erschöpft am Boden des Decks liegen. Unter den Menschen sind viele Minderjährige.
Am Abend konnten nach Angaben der Organisation fünf Menschen das Schiff verlassen. Offenbar handelte es sich um medizinische Notfälle.
Ton wird schärfer
Salvini hatte noch versucht, mit einem neuen Dekret das Schiff weiter von italienischen Küsten fernzuhalten. Doch Verteidigungsministerin Elisabetta Trenta, die das Papier hätte absegnen müssen, verweigerte am Morgen ihre Unterschrift. Die Ministerin von den Fünf Sternen stellte sich damit hinter das Gerichtsurteil und offen gegen Salvini und seine rigide Migrationspolitik. Die Menschlichkeit dürfe nicht verloren gehen, sagte sie.
Damit wurde der Streit zwischen den bisherigen Koalitionspartnern Lega und Fünf Sterne weiter befeuert. Salvini hatte vergangene Woche das Bündnis quasi aufgekündigt, als er ein Misstrauensvotum gegen Regierungschef Conte und Neuwahlen gefordert hatte.
Conte greift Salvini direkt an
In seinem offenen Brief heute attestierte Conte Salvini, er konzentriere sich zwanghaft auf die Migration. Zudem reduziere er das Thema auf die Formel "geschlossene Häfen" - und das, um als Politiker an Zustimmung zu gewinnen. "Wenn wir wirklich unsere nationalen Interessen schützen wollen, können wir uns nicht darauf beschränken, Positionen der absoluten Unnachgiebigkeit zu vertreten", erklärte Conte.
Salvini antwortete gewohnt zynisch und verteidigte seinen Kurs. Ja, er sei besessen von der Sicherheit seiner Bürger, die ihm sein Gehalt bezahlten, sagte er auf einer Pressekonferenz im süditalienischen Castel Volturno. "Ich bekenne mich also zu meiner 'Schuld', lieber Ministerpräsident, zu meiner 'Besessenheit' bei der Bekämpfung aller Arten von Straftaten, der illegalen Einwanderung mit eingeschlossen", hieß es in einem Antwortschreiben Salvinis.