Israels Ultrarechte im Krieg Von der Atombombe bis zur Todesstrafe
Die rechtsextremen Koalitionspartner von Israels Ministerpräsident Netanyahu fallen dieser Tage vor allem durch radikale Rhetorik auf. Sein Kriegskabinett verschafft dem Premier zwar etwas Luft. Doch er braucht die Ultrarechten.
Itamar Ben-Gvir ist dafür, die Todesstrafe auch gegen palästinensische Extremisten zu verhängen. "Wenn wir das Gesetz zur Todesstrafe für Terroristen erlassen, wird die Hamas etwas zu verlieren haben. Wenn wir das Gesetz der Todesstrafe für Terroristen durchbringen, wird es dabei helfen…"
Angehörige der Hamas-Geiseln unterbrechen Ben-Gvir. Sie sehen das Leben der Geiseln in Gefahr, sollte Israel die Regeln für die Todesstrafe ausweiten. Bisher ist sie nur möglich bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder in Kriegszeiten.
Ben-Gvir verteilt persönlich Sturmgewehre
Die Szene aus einer Anhörung des israelischen Parlaments gestern zeigt, wie sehr Ben-Gvir polarisiert. Er ist Israels Minister für nationale Sicherheit - und Mitglied der rechtsradikalen Partei "Jüdische Stärke".
Seine Behörde erteilt seit Beginn des Krieges etwa 1.700 Waffenlizenzen täglich. Die Behörde hatten die Regeln dafür gelockert. Ben-Gvir verteilt persönlich Sturmgewehre an zivile Sicherheitsteams - vor allem in Grenzstädten, Siedlungen im besetzen Westjordanland und in Städten mit vielen arabischen Bewohnern.
Atombombe auf den Gazastreifen?
Für Aufsehen sorgte auch Ben-Gvirs Parteifreund Amichai Elijahu - der Minister für Kulturerbe. In einem Radiointerview wurde er gefragt, ob man eine Atombombe auf den Gazastreifen werfen sollte.
"Ja, das wäre eine Möglichkeit", sagte Elijahu da. "Wir sollten schauen, was ihnen Angst macht und abschreckt. Denn zu drohen, sie zu töten, reicht nicht. Sie haben keine Angst vor dem Tod."
In dem Interview lehnte der Minister außerdem jede humanitäre Hilfe für die Menschen im Gazastreifen ab. Die Palästinenser nannte er "Monster aus Gaza". Sie sollten "nach Irland oder in die Wüste".
Israels rechtsextremer Finanzminister Bezalel Smotrich sprach sich dafür aus, dass arabische Länder Geld bekommen, um die Palästinenser aus dem Gazastreifen aufzunehmen.
Netanyahu weist Elijahu zurecht
Ministerpräsident Benjamin Netanyahu lässt die Aussagen seiner rechtsextremen Koalitionspartner oft ins Leere laufen. Die Sache mit der Atombombe war ihm dann aber zu viel. Netanyahu schloss Elijahu vorerst von den Kabinettssitzungen aus.
"Was Minister Elijahu sagte, war falsch, realitätsfremd und spiegelt auch nicht unsere Politik wider. Ich habe ihn zurechtgewiesen und bestraft. Sollte er es wieder tun, wird er nicht mehr Teil der Regierung sein."
Netanyahu weiter dem Druck der Ultrarechten ausgesetzt
Dass Netanyahu seine rechtsextremen Partner und deren Anhänger aber nicht völlig egal sind, zeigt die Entscheidung des Kriegskabinetts für Treibstofflieferungen nach Gaza. Ben-Gvir nannte das ein "humanitäres Geschenk" für den Feind.
Netanyahu beeilte sich daraufhin zu erklären, dass der Diesel für Gaza im Interesse Israels sei. Das verschaffe der Regierung international diplomatisch etwas Luft und schütze die israelischen Soldaten im Einsatz. Die seien sonst in einem Seuchengebiet unterwegs, wenn Wasser- und Abwasserpumpen nicht mehr laufen. Dass der Treibstoff die humanitäre Lage der Menschen im Gazastreifen minimal verbessert, erwähnte Netanyahu nur kurz.
Noch kann er die wichtigsten politischen und militärischen Entscheidungen im kleinen Kreis treffen - im Kriegskabinett mit Verteidigungsminister Yoav Gallant und dem Oppositionspolitiker Benny Gantz. Doch spätestens mit Ende des Krieges dürften auch seine rechtsextremen Koalitionspartner wieder mehr Einfluss haben wollen.
Opposition fordert Rücktritt der Regierung
Für Oppositionsführer Jair Lapid gibt es nur einen Ausweg: Die Regierung insgesamt muss gehen. "Wir brauchen eine Regierung, der wir Vertrauen schenken können", so Lapid. "Wir können nicht über einen langen Zeitraum einen Krieg führen, wenn das Volk dem Premierminister kein Vertrauen schenkt."
Eigentlich ist es in Israel ein ungeschriebenes Gesetz, im Krieg die politische Führung des Landes nicht in Frage zu stellen. Doch auch das scheint sich nach dem Trauma des 7. Oktobers langsam zu ändern.