Polens Justizreform EU droht mit schweren Konsequenzen
Ein EU-Verfahren hat die polnische Regierung bereits am Hals, nun droht ein weiteres: Die EU-Kommission hat Polen aufgerufen, die umstrittene Justizreform zu stoppen. Andernfalls droht die Kommission mit gravierenden Konsequenzen.
Die EU-Kommission hat die polnische Regierung unter neuen Mahnungen zu einem sofortigen Stopp der umstrittenen Justizreform aufgefordert. Brüssel habe "schwerwiegende Bedenken" gegen dazu laufende Gesetzesvorhaben, erklärte Vizepräsident Frans Timmermans in Brüssel.
Sollten die geplanten polnischen Gesetze in der derzeit vorliegenden Form umgesetzt werden, würde dies beträchtliche negative Auswirkungen auf die Unabhängigkeit der Justiz haben.
In der kommenden Woche wird erneut beraten
Die Kommission forderte die rechtsnationale polnische Regierung auf, den Dialog mit Brüssel über die Rechtsstaatlichkeit wieder aufzunehmen. Sie will nun "eine umfassende rechtliche Analyse" durchführen und sich dann bei ihrem Treffen in der kommenden Woche erneut mit der Frage befassen.
Der Vizepräsident nannte die Einleitung eines Verfahrens nach Artikel 7 des EU-Vertrages als eine mögliche Konsequenz. Artikel 7 sieht als schwerste Sanktion eine Aussetzung der Stimmrechte des Mitgliedstaates vor, wenn eine "schwerwiegende und anhaltende Verletzung" der im Vertrag verankerten Werte festgestellt wird.
Dies setzt aber eine einstimmige Entscheidung der EU-Staaten voraus. Ungarn, das sich ebenfalls scharfer Kritik aus Brüssel ausgesetzt sieht, hat bereits angedeutet, hier nicht mitzumachen. Aus diesem Grund hatte die Kommission bislang gezögert, mit dem Verfahren zu drohen. Außerdem hatte Justizkommissarin Vera Jourova den Entzug von EU-Fördergeldern angekündigt.
Kritiker mutmaßen, die PiS um Jaroslaw Kaczynski wolle mit den Gesetzen ihren nächsten Wahlsieg sichern.
Kontrolle im Hauruck-Verfahren
Die Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) will im Eilverfahren eine Justizreform durchsetzen. Ein Gesetz sieht vor, dass das Parlament künftig über die Besetzung des Landesrichterrats entscheiden soll. Dem bislang als unabhängig geltenden Rat obliegt wiederum die Besetzung der Richterposten an den ordentlichen Gerichten im Land.
Die Vorlage wurde bereits mit der klaren Mehrheit der PiS durch beide Kammern des Parlaments gebracht. Dennoch ist unklar, in welcher Form das Gesetz in Kraft tritt. Staatspräsident Andrzej Duda, der das Gesetz unterschreiben muss, hatte am Dienstag überraschend eine Überarbeitung des Gesetzes gefordert.
Duda sprach sich dafür aus, die erforderliche Mehrheit im Parlament für die Ernennung des Justizrates auf Drei-Fünftel anzuheben. Damit wäre die PiS für ihre Personalvorschläge auch auf Stimmen anderer Parteien angewiesen.
Die Regierung bleibt hart
Ministerpräsidentin Beata Szydlo ließ indes keine Bereitschaft zum Einlenken erkennen. Die Partei werde "die Reformen ganz zu Ende bringen", sagte sie vor Abgeordneten.
Ein weiterer Gesetzentwurf sieht vor, dass Richter des Obersten Gerichtshofs durch den Justizminister in den Ruhestand versetzt werden können. Für die Auswahl neuer Richter wäre ebenfalls der Justizminister zuständig.
Wegen einer vorangegangenen Justizreform hatte die EU-Kommission bereits im Januar 2016 ein Verfahren wegen Gefährdung der Rechtsstaatlichkeit gegen Warschau eingeleitet. Grund war damals die Reform des Verfassungsgerichts, die aus Sicht Brüssels die Unabhängigkeit der Richter und die Demokratie in Polen in Gefahr bringt. Auch in dem in der EU-Geschichte einmaligen Verfahren droht im äußersten Fall der Stimmrechtsentzug.