Justizreform in Polen EU-Kommission leitet Verfahren ein
Die EU-Kommission macht ernst mit ihrer Warnung an Polen: Wegen der drohenden Entmachtung der Justiz hat Brüssel ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Warschau drohen damit eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof und Geldstrafen.
Allen Warnungen zum Trotz treibt Polen seine umstrittene Justizreform weiter voran. Noch am Mittwoch hatte die EU ihre Drohung noch einmal verschärft: Sobald die kritisierten Gesetze von der Regierung in Warschau schriftlich veröffentlicht werden, folge ein Vertragsverletzungsverfahren.
Polen protestierte heftig. "Wir werden Erpressung von Seiten EU-Beamter nicht akzeptieren", sagte ein Sprecher der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Und so erschien der erste Gesetzestext im polnischen Gesetzesblatt.
Kommission macht Drohung wahr
Die EU hat ihre Drohung jetzt wahr gemacht: Weil sie durch die insgesamt vier Gesetze umfassende Reform die Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung gefährdet sieht, leitete sie das Verfahren ein. Die polnische Regierung habe einen Monat Zeit, um auf den Warnbrief zu reagieren.
Beanstandet wird konkret ein Gesetz, das die Befugnisse des Justizministers bei der Besetzung von Richterposten ausweitet. Dies gefährdet nach Ansicht der Kommission die Unabhängigkeit der polnischen Justiz. Sie warnte davor, dass durch das neue Gesetz die "Unabhängigkeit der polnischen Gerichte untergraben wird".
Zudem äußerte sich die Kommission besorgt darüber, dass nun ein unterschiedliches Rentenalter für Richterinnen und Richter gilt. Dies sei eine "Diskriminierung aufgrund des Geschlechts".
Der polnische Europaminister Konrad Szymanski wies das Verfahren als "unbegründet" zurück. Das von Brüssel kritisierte Gesetz garantiere alle Prozessrechte und ermögliche es, Rechtsmittel einzulegen.
Immer wieder demonstrierten viele Polen gegen die Pläne der Regierung.
Vier Gesetze - Zweimal ein Veto
Doch der lauteste Protest gegen die neuen Regelungen kommt nicht aus Brüssel, sondern von Polens Straßen. Seit Wochen kommt es zu Massenprotesten gegen die drohende Entmachtung der Justiz.
Und auch der polnische Präsident Andrzej Duda versuchte, der Reform - zumindest teilweise - einen Riegel vorzuschieben. Gegen zwei Gesetze legte er sein Veto ein. Die Novellierungen sahen zum einen vor, dass der polnische Justizminister Richter des Obersten Gerichtshof in den Ruhestand schicken und deren Nachfolger auswählen kann. Gleiches gilt für die Mitglieder des Landesrichterrats (KRS).
Doch ein Gesetz, das der Regierung ähnliche Freiheiten bei der Besetzung der allgemeinen Gerichte einräumt, segnete Duda hingegen ab.
Sollte die PiS weiterhin auf stur schalten, drohen Polen eine Klage vor vor dem Europäischen Gerichtshof und empfindliche Geldstrafen.
Nicht der erste Streitpunkt mit Polen
Doch dass die polnische Regierung vor der EU nicht so einfach einknickt, hat sich bereits in einem vorherigen und noch immer andauernden Streit gezeigt - auch hier geht es um das Rechtssystem in Polen.
Bereits 2015 boxte Polen eine Reform durch, die das Verfassungsgericht des Landes zum Großteil entmachtet. Daraufhin leitete die EU Anfang des vergangenen Jahres - erstmals in der Geschichte der EU - ein Verfahren ein, um Polens Rechtsstaatlichkeit zu prüfen.