Rede zur Lage der Nation in Ungarn Orban lobt sich selbst und droht seinen Gegnern
Streit mit der EU und massive wirtschaftliche Probleme im eigenen Land - von alldem war in der Rede zur Lage der Nation des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban wenig zu hören. Stattdessen droht er unverhohlen der Opposition.
Christoph Peerenboom, ARD-Studio Südosteuropa
Wenn der politisch zurzeit wohl umstrittenste Regierungschef der EU eine "Rede zur Lage der Nation" hält, dann wird nicht nur im eigenen Land genau hingehört, sondern auch in Brüssel und anderswo. Denn die Lage in Ungarn hat in den letzten Wochen und Monaten für viel Aufsehen gesorgt. Ministerpräsident Viktor Orban hat ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission am Hals, erntet Kritik wegen seines autoritären Regierungsstils und zu alledem ist die Haushaltslage in Ungarn prekär.
Von Problemen aber wollte Orban nicht so gerne sprechen bei seinem Auftritt vor handverlesenem Publikum in Budapest. Er lobte sich lieber ausgiebig selbst und rechtfertigte die Politik, mit der er seit seinem Wahlsieg vor knapp zwei Jahren Ungarn umkrempelt: "Wir wollen ein starkes, unabhängiges und freies Land, das uns ein sicheres Leben bietet. Das ist kein Traum, sondern der berechtigte Wunsch eines jeden ehrlichen Menschen."
"Europa wird langsam so etwas wie Alkohol"
Auf den Streit mit der EU-Kommission ging Orban nicht allzu konkret ein – dabei geht es in diesem Streit um eine ganze Reihe von Punkten: Die Kommission sieht die Unabhängigkeit der ungarischen Notenbank und der Datenschutzbehörde in Gefahr und sorgt sich um das Justizsystem, weil die Regierung hunderte Richter in den Zwangsruhestand schicken will.
Orban schickte dagegen folgenden Vergleich in Richtung Brüssel: "Europa wird langsam so etwas wie Alkohol", so der Regierungschef: "Es inspiriert zu großen Zielen, doch verhindert, dass wir sie erreichen."
Massive wirtschaftliche Probleme
Wenig versöhnliche Töne. Gleichwohl ist Ungarn auf die Hilfe der EU dringend angewiesen - denn das Land steckt in massiven wirtschaftlichen Schwierigkeiten: ein defizitärer Haushalt, eine schwächelnde Währung, die ungarischen Staatsanleihen wurden auf Ramschniveau herabgestuft. Ungarn braucht daher neue Milliardenkredite aus dem Ausland.
Doch EU und Internationaler Währungsfonds haben schon deutlich gemacht: Es wird kein frisches Geld fließen, wenn Budapest umstrittene Regelungen nicht zurück nimmt und zu solider Haushaltspolitik zurückkehrt. Die wirtschaftliche Lage lässt auch den Unmut in der Bevölkerung wachsen. Mehrere Dutzend Aktivisten sind gerade zu einem so genannten "Hungermarsch" aufgebrochen, aus dem Nordosten des Landes bis in die Hauptstadt Budapest: "Arbeit, Brot und ausreichende Löhne", so heißt ihre Forderung.
Dazu sagte Ministerpräsident Orban in seiner Rede nichts - er sieht sich wirtschaftspolitisch auf richtigem Kurs: "Wer heute vom Staatsbankrott Ungarns spricht, wer behauptet, Ungarn werde den Kampf um seine Erneuerung verlieren, der kennt weder das Land noch die Ungarn."
Orban verteidigte auch die umstrittenen Sondersteuern für bestimmte, vor allem von ausländischen Konzernen dominierte Wirtschaftszweige, wie etwa den Bankensektor oder die Telekommunikations- und Energiebranche. Man dürfe keine Unternehmen aus dem Ausland fördern, die mit ihrem Kapital ungarische Firmen vom Markt verdrängten und den Profit mit nach Hause nähmen.
Warnung an Opposition
Und dann schickte Orban noch eine Warnung an seine politischen Gegner: "Ich kooperiere mit jedem, der hilft oder zumindest nicht verhindert, dass wir unsere Ziele, ein starkes Ungarn erreichen. Doch ich werde den härtesten Kampf gegen alle führen, die das alte System wiederhaben wollen, denn das hat das Land geschwächt und in die Krise geführt."
Während Orban in Budapest sprach, weilte der Fraktionschef seiner Fidesz-Partei übrigens gerade zu Gesprächen in Berlin - und erhielt dort Rückendeckung von Unionsfraktionsvize Andreas Schockenhoff: "Hetze von außen" gegen die Regierung Orban sei unbedingt zu vermeiden, teilte der CDU-Politiker mit. Er sei sicher, dass die ungarische Regierung allen Forderungen der EU nachkommen werde. Weiter kritisierte Schockenhoff "diejenigen Kräfte in Ungarn, die durch Wagenburgmentalität eine Stimmungslage gegen die EU mit bewirken".