EU-Antibetrugsbehörde OLAF Machtlos im Kampf gegen Korruption?
OLAF ist die Antikorruptionsbehörde der EU. Sie deckt Betrugsfälle in Millionenhöhe auf und reicht sie an Ermittlungsbehörden weiter. Dass ihre Erfolge dürftig sind, hat strukturelle Gründe.
Es geht um Fälle wie diese: Ein umweltschädliches Abfallprojekt in Ungarn oder Vetternwirtschaft beim Straßenbau in Georgien. Millionen Euro an EU-Fördergeldern sollen dabei missbräuchlich verwendet worden sein.
Aufgedeckt hat dies das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung OLAF. Der Job der etwa 350 Bediensteten von OLAF ist es - der Name ist eine Abkürzung von "Office Européen de Lutte Anti-Fraude"-, Betrug und Korruption innerhalb und außerhalb von EU-Behörden aufzudecken.
Im diesjährigen Jahresbericht stellt Generaldirektor Ville Itälä die Erfolge seiner Behörde aus dem Jahr 2022 vor. Nach eigenen Angaben haben OLAF-Ermittler etwa 600 Millionen Euro an illegal verwendeten EU-Fördergeldern aufdecken können, Millionen Zigaretten und Tausende Liter geschmuggelten Alkohol gefunden und 40 Verfahren gegen mutmaßlich korrupte EU-Bedienstete eröffnet. Ein Erfolg, wenn es nach Itälä geht.
Kritik aus dem EU-Parlament
Doch das sehen längst nicht alle so, etwa der der finnische EU-Abgeordnete Petri Sarvamaa und sein deutscher Kollege Daniel Freund. Beide sind Mitglieder im Haushaltskontrollausschuss, der die Arbeit von OLAF kontrolliert - und kritische Fragen stellt: Wieso dauern Ermittlungen mit einer durchschnittlichen Dauer von zwei Jahren länger als früher? Wieso ist die Summe der 2022 aufgedeckten illegal verwendeten EU-Fördergelder niedriger als noch 2021?
In Brüsseler Kreisen gilt OLAF als nicht sonderlich beliebt. Nicht, weil die Behörde auf die Finger der Parlamentarier oder von EU-Angestellten schaut, sondern weil OLAF nicht unbedingt mit Erfolgsgeschichten glänzt. Der EU-Haushalt war im Jahr 2022 gut 170 Milliarden Euro schwer. OLAF konnte etwa 600 Millionen Euro ausfindig machen, die illegal verwendet wurden oder beinahe illegal verwendet worden wären. Unter dem Strich sind das 0,35 Prozent des Haushaltsvolumens.
Nationale Ermittlungen versanden
Das sei in absoluten Zahlen viel, aber es wäre "ein Wunder, wenn nicht mehr Geld durch Korruption und Betrug verloren geht", sagt Freund. Gerade in Ländern wie Polen oder Ungarn sei Korruption allgegenwärtig. An diesen beiden Ländern zeige sich besonders die Machtlosigkeit der europäischen Antibetrugsbehörde, aber auch die Machtlosigkeit der europäischen Antikorruptionspolitik insgesamt.
Denn OLAF kann nur beschränkt ermitteln, also selbst weder Strafverfolgungen aufnehmen noch Urteile aussprechen. Wenn OLAF eine Ermittlung durchführt und zu einem Ergebnis kommt, dann geben die Ermittler ihre Recherchen entweder an die nationalen Strafverfolgungsbehörden oder an die europäische Staatsanwaltschaft weiter. Letztere wird aber in Ländern wie Polen und Ungarn nicht anerkannt. Ermittlungen innerhalb der Nationalstaaten verliefen häufig im Sande, stellt Ákos Hadházy fest. Der unabhängige ungarische Abgeordnete gilt als Einzelkämpfer gegen Korruption in seinem Land.
Es gibt nicht einmal eine Pflicht für Polizei und Staatsanwaltschaft, nach Ermittlungen der Antikorruptionsbehörde die Empfehlungen der OLAF weiterzuverfolgen. In zwei Dritteln aller Fälle passierte in den EU-Staaten 2022 nichts. Das geht aus dem jüngsten Bericht hervor.
"Auf nicht funktionierendes System angewiesen"
Ist OLAF eine Organisation, die nicht funktioniert? Generaldirektor Itälä gab am Rande der Sitzung des Haushaltskontrollausschusses zu, dass er sich eine bessere Quote wünschen würde. Doch dafür müsste das Mandat seiner Behörde geändert werden - und das steht momentan nicht zur Debatte.
Der Europaabgeordnete Freund kommt zu dem Ergebnis, dass "wir weiterhin auf das nicht funktionierende System, wenn man so will, von OLAF angewiesen sind".
In einer früheren Version des Artikels hatten wir einen Rechenfehler: Statt 0,004 Prozent des Haushaltsvolumens entsprechen die von OLAF ausfindig gemachten 600 Millionen Euro 0,35 Prozent des Haushaltsvolumens. Wir haben die Zahl korrigiert.
Mehr zum Hintergrund dieser und anderer Korrekturen finden Sie hier: tagesschau.de/korrekturen