Neue Regierung in Österreich Kurz bekräftigt pro-europäischen Kurs
Bei seinem Antrittsbesuch in Brüssel ist Österreichs neuer Kanzler Kurz bemüht, mögliche Vorbehalte gegen seine rechtskonservative Regierung auszuräumen. Die EU-Spitzen geben sich hoffnungsvoll - doch die Zweifel bleiben.
Eins kann man Sebastian Kurz ganz gewiss nicht vorwerfen: Dass er mit seinem ersten EU-Besuch zu lange gewartet hätte. Gerade einmal etwas mehr als 24 Stunden war der jüngste Regierungschef Europas vereidigt, als er sich auch schon auf den Weg nach Brüssel machte. Um dort seine Botschaft loszuwerden, dass man sich - trotz seiner Koalition mit der rechten FPÖ - doch bitte keine Sorgen um die Europa-Treue Wiens machen solle: "Österreich ist ein pro-europäisches Land, das aktiv in der Europäischen Union mitgestalten möchte."
Was die EU-Kommission angeht, so hatte die sich in den letzten Tagen alle Mühe gegeben, sich mögliche Sorgen nicht anmerken zu lassen. Obwohl Kurz nun mit einer Partei zusammen regiert, die vor Kurzem noch für ein Ausstiegs-Referendum aus der Europäischen Union warb.
Juncker lobt Bekenntnis zur EU
Er sehe ein positives Signal darin, dass der neue österreichische Kanzler zu allererst nach Brüssel gereist sei, erklärte nun EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker: "Das ist der Beweis der Tat. Das, was im österreichischen Regierungsprogramm steht - nämlich ein klares Bekenntnis zur Europäischen Union - wird auch von sofortigen Reisetätigkeiten begleitet."
Den rechten Koalitionspartner FPÖ erwähnte Juncker in seiner Eingangserklärung zunächst mit keiner Silbe. Sagte dann aber auf Nachfrage, er wolle sich nicht an Vorverurteilungen der neuen Regierung beteiligen: "Dass ich kein Freund von 'Extrem-Rechts' bin, brauche ich hier nicht zu sagen", so Juncker. Er lese nur das Regierungsprogramm, das Kurz ausgehandelt habe und das finde er stimmig.
Vizekanzler Strache (links) und Kanzler Kurz: Die EU-Kommission will sie an ihren Taten messen.
Die Zweifel bleiben
Die Kommission will die neue Rechtskoalition also an Taten messen. Dass aber Zweifel bleiben, liegt auf der Hand: Zum Beispiel, ob der bis Juni angestrebte Kompromiss in der Flüchtlingsfrage nun überhaupt zu erzielen sein wird. Denn was Migration angeht, so scheint Regierungschef Kurz eher mit seinen Amtskollegen in Ungarn oder Polen auf einer Linie zu sein als mit der deutschen Kanzlerin oder der EU-Kommission.
So wirbt Kurz seit Langem für eine komplette Abriegelung der Mittelmeer-Route über Libyen und findet genau wie EU-Ratspräsident Donald Tusk, dass eine Quote für die Verteilung von Flüchtlingen in Europa nicht funktioniert hat. Er wolle, so drückt es der neue Kanzler nun aus, gegen "Fehlentwicklungen" ankämpfen: "Nur wenn wir illegale Migration stoppen können, gelingt es uns auch, dass ein Europa ohne Grenzen nach innen weiter selbstverständlich ist."
Kurz will Mittelsmann zwischen Ost und West sein
EU-Ratspräsident Tusk jedenfalls, der Kurz ebenfalls empfing, sprach auf Twitter nach der Begegnung davon, dass er einen "energiegeladenen, zielstrebigen und pro-europäischen" Regierungschef getroffen habe. Die beiden sind sich einig in der Diagnose, dass es zwischen Ost und West in der EU - eben wegen der Flüchtlingskrise - zu einer Spaltung gekommen ist. Kurz sieht sich hier nach eigenen Worten als Brückenbauer zwischen Ost und West. Schließlich, befand der 31-Jährige, liege Österreich im Herzen der Europäischen Union.
Bemerkenswert: Vor 17 Jahren, als die FPÖ erstmals Mitglied einer Koalitionsregierung in Wien wurde, verhängten die anderen EU-Staaten Sanktionen. Heute sieht sich dasselbe Land, ebenfalls mit der FPÖ in der Regierung, fest in der Europäischen Union verankert.