EU-Pläne für Afrika auf dem Prüfstand Wie sinnvoll sind Asylzentren?
Die EU will bis Jahresende ein Pilotprojekt starten: Im afrikanischen Land Niger soll ein Asylzentrum entstehen, in dem Flüchtlinge erfahren sollen, ob sie ein Recht auf Asyl in der EU haben oder nicht. Doch hält das die Menschen wirklich davon ab, die Überfahrt zu wagen?
Von Karin Bensch, WDR-Hörfunkstudio Brüssel
Knapp 200.000 Flüchtlinge kamen im vergangenen Jahr über das Mittelmeer nach Italien. Die allermeisten starteten die lebensgefährliche Seereise in Libyen. Der Großteil der Flüchtlinge stammt aus dem Bürgerkriegsland Syrien und der Diktatur in Eritrea.
Bis Jahresende soll Asyl-Zentrum in Niger entstehen
Bundesinnenminister Thomas de Maizière betonte immer wieder, "dass Flüchtlingspolitik nicht an den Grenzen der Europas und an den Grenzen Deutschlands beginnen darf." De Maizière ist für das Pilotprojekt eines Flüchtlingszentrums in Niger, einem Wüstenstaat in Westafrika. Bis Jahresende soll dort - in Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen - ein Zentrum entstehen, in dem Migranten darüber informiert werden, ob sie ein Recht auf Asyl in der EU haben oder nicht - und zwar schon auf der anderen Seite des Mittelmeeres. Damit sollen Migranten davon abgehalten werden, auf unsichere Flüchtlingsboote zu steigen.
Asylanträge sollen in dem Flüchtlingszentrum in Niger aber nicht bearbeitet werden. De Maizière findet es sinnvoll, "vor Ort zu entscheiden, wer legal nach Europa kommen kann. Und anderen zu sagen, wenn ihr illegal nach Europa kommt, ihr werdet sowieso zurückgeschickt. Wollt ihr nicht lieber mithilfe von uns in eure Staaten zurückkehren?“
Sogwirkung durch Flüchtlingszentren?
Zurückkehren, das wollen wohl die wenigsten, viele haben schon Tausende Kilometer hinter sich. Und sie haben Gründe, warum sie ihre Heimat verlassen haben: Armut, Hunger, keine Lebens- und Arbeitsperspektive. Was würde also geschehen, wenn Zehntausende Afrikaner, die kein Recht auf Asyl in Europa haben, dort abgewiesen werden? Wenn es zu Aufständen käme? Dann müsste das Flüchtlingszentrum ein Hochsicherheitstrakt sein.
Die Abgewiesenen würden voraussichtlich wieder die lebensgefährliche Reise über das Mittelmeer auf sich nehmen. Dann gäbe es legale und illegale Wege nach Europa - die Zahlen könnten sich nach Einschätzung von Experten verdoppeln. Kritiker sagen, solche Flüchtlingszentren könnten eine Sogwirkung haben. Und sie wären ein Beweis dafür, dass sich Europa weiter abschotte.
Niger hat viele Probleme
"Trotzdem muss man diesen Gedanken mal weiterüberlegen. Denn jetzt ertrinken Menschen im Mittelmeer. Und Menschenhändler machen wahnsinnige Gewinne“, sagte de Maizière. Es müsse geprüft werden, in welchen afrikanischen Staaten die EU überhaupt solche Flüchtlingszentren einrichten könnte. Denn viele Länder dort haben keine funktionierenden Regierungen oder keine demokratische Grundlage.
Niger gilt als politisch stabil. Seit 2011 ist der sozialdemokratische Präsident Mahamadou Issoufou im Amt. Die meisten Nigrer sind Muslime. Seit Anfang des Jahres greift die islamistische Terrororganisation Boko Haram jedoch auch Ziele im Südosten Nigers an. Es ist nicht auszuschließen, dass die Gruppe in anderen Städten des Landes ebenfalls terroristische Attentate plant.
In Niger befinden sich zudem Zehntausende Flüchtlinge aus dem Nachbarland Nigeria, die vor den Gewaltexzessen von Boko Haram geflohen sind. In dem Wüstenstaat herrschen regelmäßig Dürren und Hungersnöte. Das Bildungsniveau ist sehr gering: Drei von vier Männern können nicht lesen und schreiben. Kinderarbeit ist in Niger verbreitet.
EU bildet Sicherheitskräfte in Niger aus
Und trotzdem ist Niger für die EU interessant. Denn 90 Prozent der Migranten aus Westafrika reisen auf ihrem Weg nach Libyen durch Niger, sagt die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. Deshalb weitet die EU ihre Ausbildungsmission für Sicherheitskräfte im Niger aus. Künftig sollen Polizei und Militär dabei unterstützt werden, illegale Migration und Menschenschmuggel zu bekämpfen.
"Natürlich gibt es eine europäische Politik gegenüber Afrika. Aber die Flüchtlingspolitik ist bislang nicht Teil einer solchen europäischen Außenpolitik“, sagte de Maizière. Das wird sich nun ändern: Im September soll es einen Gipfel auf Malta geben, an dem Vertreter der EU und der betroffenen afrikanischen Länder teilnehmen. Klar ist, nur durch eine Zusammenarbeit mit den Herkunfts- und Transitländern kann die EU die Flüchtlingsproblematik in den Griff bekommen.