Strategie für Migration Streit um EU-Flüchtlingsquote
Zu Tausenden drängen immer mehr Flüchtlinge nach Europa. Die EU-Kommission will am Mittwoch eine Migrationsstrategie mit Quoten für Flüchtlinge vorstellen. Doch eine Quotenregelung ist unter den Mitgliedsstaaten umstritten.
Der französische Innenminister Bernard Cazeneuve fordert alle EU-Staaten zur Aufnahme von Asylsuchenden auf. Das derzeitige System belaste eine Reihe von Ländern über Gebühr, sagte Cazeneuve in einem Interview. In Lettland und Großbritannien klingt das hingegen ganz anders: Die britische Regierung hat mit Ablehnung auf die Pläne der EU-Kommission reagiert, künftig Flüchtlinge über Quoten auf alle EU-Länder zu verteilen.
London werde sich gegen jegliche derartige Vorhaben stellen, sagte ein Sprecher des britischen Innenministeriums der Zeitung "The Times". "Das Vereinigte Königreich hat eine stolze Geschichte des Asyls für diejenigen, die es am nötigsten brauchen", sagte der Ministeriumssprecher laut "Times". "Aber wir glauben nicht, dass ein verpflichtendes Ansiedlungsprogramm die Antwort ist." Die EU solle sich stattdessen auf die Bekämpfung von Schlepperbanden konzentrieren.
Lettland gegen feste Quote
Lettland ist ebenfalls gegen eine Verteilung von Flüchtlingen nach festen Quoten. Die Regierung habe Solidarität bei der Lösung des Migrationsproblems, unterstütze aber keine Flüchtlingsquoten, sagte Ministerpräsidentin Laimdota Straujuma. Solidarität könnte durch andere Maßnahmen wie etwa eine intensivere Grenzüberwachung oder die Bereitstellung medizinischer Hilfe zum Ausdruck gebracht werden.
Frankreich: Asylregelung muss her
Frankreich hingegen unterstützt den Plan der EU-Kommission für ein Quotensystem zur Aufnahme von Flüchtlingen. Eine Asylregelung müsse verhindern, dass Flüchtlinge auf dem Weg in die EU ihr Leben riskieren. Außerdem müsse die EU zwischen Flüchtlingen und Zuwanderern unterscheiden, die aus wirtschaftlichen Gründen nach Europa wollen, sagte Innenminister Cazeneuve.
Derzeit nehmen nur einige EU-Staaten Flüchtlinge auf. Neben Frankreich sind das unter anderem Deutschland und Schweden.
EU-Außenbeauftragte will robustes Mandat
In New York versicherte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini vor dem UN-Sicherheitsrat, dass kein Asylsuchender, der im Mittelmeer aufgegriffen werde, gegen seinen Willen zurückgeschickt werde. "Unsere oberste Priorität ist es, Leben zu retten und weitere Verluste von Leben auf dem Meer zu verhindern." Das Geschäft mit dem Leid der Flüchtlinge sei "nicht nur ein humanitärer Notstand, sondern auch eine sicherheitspolitische Krise". Die Schlepperbanden hätten Verbindungen zu Extremistengruppen und würden "terroristische Aktivitäten" finanzieren.
Mogherini warb für ein Mandat, das einen robusten Militäreinsatz gegen Schlepper ermöglicht. Die EU erwägt, Boote zu identifizieren und zu zerstören, die von Schlepperbanden benutzt werden könnten. Diese Maßnahme ist im UN-Sicherheitsrat umstritten, Russland lehnt sie beispielsweise ab.
Neue Strategie der EU
Die Pläne der EU-Kommission werden für Mittwoch erwartet. Dabei wird sie in zwei Bereichen eine Flüchtlingsaufnahme und -verteilung vorschlagen.
Einerseits geht es um schutzbedürftige Flüchtlinge, die bereits in Europa eingetroffen sind, die aber die Ankunftsländer im Süden wie Italien oder Griechenland überfordern. Sie sollen unter den EU-Staaten über Quoten "auf Grundlage des Bruttoinlandsproduktes, der Größe der Bevölkerung, der Arbeitslosenquote" sowie der bisher aufgenommenen Asylbewerber umverteilt werden. Der Vorschlag soll nach dem Entwurf für die Migrationsstrategie "Vorreiter für eine dauerhafte Lösung" der Flüchtlingsverteilung sein.
Andererseits geht es um die Umsiedlung anerkannter Flüchtlinge von außerhalb der EU, etwa aus Flüchtlingslagern rund um Syrien.
Die EU-Kommission verweist darauf, dass das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR Europa aufgefordert hat, mittelfristig pro Jahr 20.000 Menschen umzusiedeln. Brüssel ließ in dem Entwurf für die Migrationsstrategie vorerst noch offen, wie viele es sein werden.
Nach den jüngsten Flüchtlingstragödien im Mittelmeer hatte die Kommission im April zunächst eine Zahl von 5000 vorgeschlagen, ein Sondergipfel zur Flüchtlingsfrage strich die Zahl aber dann aus seiner Abschlusserklärung.