Reportage vom Flugzeugträger "Cavour" Schwierige Mission auf hoher See
Die "Cavour" ist das Flaggschiff des europäischen Militäreinsatzes im Mittelmeer zwischen Italien und Libyen. Die 500 Soldaten sollen Schlepper aufspüren und Flüchtlinge retten. Ist die Mission erfolgreich? Eine Reportage über die Arbeit an Bord des Flugzeugträgers.
Flughafen Lampedusa: Der Militärhubschrauber hebt mit lautem Getöse ab und fliegt aufs weite, blaue Meer hinaus. Schon aus der Ferne ist er zu sehen: der Flugzeugträger "Cavour". Ein riesiges, graues Militärschiff. 244 Meter lang. 14 Decks hoch. Mit einer Landebahn für senkrecht startende Düsenjets und Hubschrauber.
Im Bauch des Schiffes befindet sich ein Labyrinth aus langen Gängen. Es ist grell beleuchtet, denn Fenster gibt es hier unten nicht. An Bord sind gut 500 Soldaten. Die meisten sind Italiener, weil die "Cavour" zur italienischen Marine gehört. Sie ist das Flaggschiff der europäischen Militärmission "Sophia", die zusammen mit anderen Schiffen, Flugzeugen und Hubschraubern im internationalen Seegebiet zwischen Italien und Libyen patrouilliert.
200.000 Geflüchtete warten auf Weiterfahrt
Mindestens 200.000 Menschen sollen in Libyen sitzen und darauf warten, mit Schlepperbooten über das Mittelmeer nach Italien zu kommen. Der Andrang habe schon in den vergangenen Wochen stark zugenommen, sagt Enrico Credendino, der Chef der Militärmission "Sophia".
"Die geschlossene Balkanroute bewirkt offenbar, dass Schlepper die Fluchtwege ändern. Es könnte eine Sogwirkung haben für den Sudan und Libyen. Oder die Flüchtlinge nehmen eine lange Reise über das Meer auf sich: von Syrien aus über Ägypten nach Italien", sagt Credendino.
Der Andrang werde aber vielleicht auch deshalb größer, weil die Schlepper noch schnell versuchten, so viele Menschen wie möglich von Libyen aus loszuschicken, weil sie wüssten, dass es dort in absehbarer Zeit eine neue Regierung gibt, die das Schlepperwesen einschränken könnte, meint Credendino.
Der Armut entkommen
Im vergangenen halben Jahr hat die Militärmission "Sophia" rund 13.000 Menschen aus dem Mittelmeer gerettet. Es waren vor allem Afrikaner, die aus Ländern südlich der Sahara kamen - aus Gambia, Nigeria und der Elfenbeinküste. Die meisten flüchten vor Armut, nicht vor Krieg.
Doch eigentlich ist die erste Aufgabe der Mission "Sophia", Menschenschlepper aufzuspüren und festzunehmen. Im vergangenen halben Jahr wurden allerdings nur 68 mutmaßliche Schleuser gefasst. Dass es so wenige sind, liegt daran, dass die Schleuser selbst nicht auf die Flüchtlingsboote gehen. Sie bleiben an Land - da wo sie sicher sind, etwa in Libyen.
"Um effektiver zu sein, müssen wir in die libyschen Hoheitsgewässer hinein", sagt Admiral Credendino. Doch um vor der libyschen Küste patrouillieren zu dürfen - oder sogar dort an Land zu gehen - braucht die europäische Militärmission die Erlaubnis der neuen libyschen Einheitsregierung, die offiziell noch gar nicht im Amt ist. Und anschließend bedürfe es noch einer Resolution des UN-Sicherheitsrates, sagt Credendino.
Drohende Gefahren vor erweitertem Einsatz
Doch ein Einsatz europäischer Soldaten kurz vor der libyschen Küste oder sogar an Land birgt auch Gefahren. Bewaffnete Schlepperbanden oder Terroristen des sogenannten Islamischen Staates, die sich derzeit in libyschen Hafenstädten breit machen, könnten die Europäer angreifen. "Nun ja", sagt Admiral Credendino nach einer kurzen Pause, "wir sind Soldaten, und wir sind kampferprobt genug, um unsere Leute zu schützen."
Doch noch ist es ruhig auf der "Cavour". Am Abend - kurz vor Sonnenuntergang - stehen die Soldaten bereit für die Flaggenparade. Erst wird die italienische Flagge eingeholt und wieder gehisst, danach die europäische. Sollte das Militärschiff künftig vor der libyschen Küste patrouillieren, könnten solche ruhigen Momente selten werden.