Merkel in der Türkei Keine einfache Reise
Politische Gespräche mit der Türkei sind selten einfach - die Kanzlerin weiß das. Schließlich reist Merkel nicht zum ersten Mal nach Ankara. Ganz oben auf dem Gesprächszettel: der EU-Beitritt der Türkei. Die Verhandlungen sind festgefahren. Neuen Schwung - das will auch Merkel. Aber mehr?
Von Michael Götschenberg, MDR, ARD-Hauptstadtstudio
Kahramanmaras liegt im Südosten Anatoliens, etwa 100 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt. Dort sind 320 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr sowie die deutschen Patriot-Luftabwehrraketen stationiert, die die Bundesregierung zum Schutz der Türkei vor Raketenangriffen aus Syrien entsandt hat.
Die Soldaten können sich an diesem Wochenende über politische Aufmerksamkeit nicht beklagen: Einen Tag nach dem Besuch von Verteidigungsminister Thomas de Maizière kommt nun die Kanzlerin. Die Reise ist beschwerlich: Eineinhalb Stunden dauert die Fahrt mit einer Fahrzeugkolonne vom nächstgelegenen Flughafen.
Abstecher nach Kappadokien
Bevor Angela Merkel dann in Ankara eintrifft, wo sie Ministerpräsident Tayyip Erdogan und Präsident Abdullah Gül zu politischen Gesprächen trifft, macht sie noch einen Abstecher nach Kappadokien in Zentralanatolien. Dort will sie frühchristliche Stätten besuchen - ein Signal, das den Christen in der Türkei den Rücken stärken soll.
Die schwierige Situation der Christen ist jedoch nicht das einzige heikle Thema, das Merkel und ihre türkischen Gesprächspartner auf dem Zettel haben. Ganz oben auf der Liste: die Beitrittsverhandlungen mit der EU. Als Erdogan im vergangenen Oktober in Berlin war, sagte die Kanzlerin zu dem Thema: "Die EU ist ein ehrlicher Verhandlungspartner. Die Verhandlungen werden weitergehen. Deutschland steht zu dem Prozess."
Nach Ankara robben?
Merkel bevorzugt eine privilegierte Partnerschaft für die Türkei mit der EU, von einer türkischen EU-Vollmitgliedschaft hält sie nichts. Zu ihrem Ärger hatte ihr Parteifreund, der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger, dieser Tage noch geunkt, dass ein deutscher Regierungschef im kommenden Jahrzehnt noch "auf Knien nach Ankara robben" werde, um die Türken zu bitten, der EU beizutreten.
Seit zweieinhalb Jahren liegen die Verhandlungen auf Eis, zuletzt ist das Klima allerdings wieder etwas freundlicher geworden - nicht zuletzt mit dem Amtsantritt des neuen französischen Präsidenten François Hollande.
Erdogan machte bei seinem jüngsten Besuch in Berlin aus seiner Ungeduld keinen Hehl. Ob er glaube, dass die Türkei bis 2023 in der EU sein werde, wurde Erdogan gefragt. Seine Antwort: "Ich glaube, so lange wird man uns nicht hinhalten."
Lange Themenliste
Neben dem leidigen EU-Beitrittsthema ist die Liste der anderen Gesprächsthemen lang: Der Syrienkonflikt und die schlechten Beziehungen zwischen der Türkei und Israel gehören genauso dazu wie das iranische Atomprogramm, oder bilaterale Themen wie die doppelte Staatsbürgerschaft oder Visa-Erleichterungen für Türken. Auch die schwierigen Beziehungen zwischen der Türkei und dem EU-Mitglied Zypern stehen auf der Liste - auch so ein Dauerbrenner - zumal am Sonntag auf Zypern gewählt wird.
Keine einfache Reise also für die Kanzlerin, aber einfach sind politische Gespräche mit der Türkei nie. Merkel bewegt sich dabei auf vertrautem Gelände: Es ist bereits ihr dritter Besuch als Kanzlerin in der Türkei.