Reaktionen auf EU-Vorschläge Lob und Kritik für Merkels Ideen
Bundeskanzlerin Merkel trifft mit ihren Reformvorschlägen für Europa auf ein gemischtes Echo. Frankreich und die EU-Kommission lobten Merkels Ideen als ersten Schritt. Die FDP bemängelte hingegen Merkels Stil.
Die EU-Kommission hat die Vorschläge von Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Zukunft Europas positiv aufgenommen. "Wir begrüßen die Ideen von Kanzlerin Merkel, die Einheit und Fähigkeit der EU-27 zu stärken, in einer unsicheren und instabilen Welt zu handeln", sagte der Sprecher von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, Margaritis Schinas. Dabei seien Merkels Ideen für die Reform der Eurozone aus Kommissionssicht "ein Parameter für eine Einigung in den wichtigen Fragen".
Schinas lobte auch Merkels Ansage, die Verhandlungen über den nächsten mittelfristigen Finanzrahmen für die Jahre ab 2021 noch vor der Europawahl 2019 abzuschließen - so wie es die Brüsseler Behörde und das Europaparlament ohnehin wollten.
Die Kommission werde nun mit allen Mitgliedstaaten weiter über die Reform beraten, so Schinas. Der nächste Schritt sei der Eurogipfel Ende Juni, der nicht nur Debatten, sondern Entscheidungen bringen solle. Auch Eurogruppen-Chef Mario Centeno nannte die Vorschläge Merkels positiv. Das Ende des Weges bei den Reformen sei aber noch nicht erreicht.
Merkel hatte am Wochenende in einem Interview der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" ihre Pläne zur Stärkung der Eurozone und der gemeinsamen Flüchtlings-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU vorgestellt. Damit bezog sie auch Stellung zu den Reformideen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron vom September.
Paris zufrieden mit "erster Antwort"
Im September stellt Frankreichs Präsident Macron seine Ideen zur Reform der EU vor.
Das französische Präsidialamt Macron zeigte sich ebenfalls zufrieden mit Merkels Aussagen. Die Kanzlerin nähere sich "bei allen Themen der europäischen Souveränität" den französischen Zielen an. Dies gelte etwa für das Thema Migration. Zur Reform der Währungsunion gebe es eine Annäherung. Allerdings müssten Deutschland und Frankreich in den kommenden Wochen noch "für eine ehrgeizigere Vereinbarung zur Bankenunion und der budgetären Kapazität der Eurozone" arbeiten.
Merkels Ideen seien für den Élyséepalast eine "erste Antwort" auf Macrons Rede vom September. "Das ist eine positive Bewegung, die vom europäischen Engagement der Kanzlerin und ihrer Regierung zeugt."
SPD sieht Schritt in die richtige Richtung
Auch Merkels Koalitionspartner SPD lobte die Merkel-Vorschläge. Fraktionschefin Andrea Nahles sagte, diese seien eine Bewegung in die in die richtige Richtung. Gemeinsam müsse die EU dafür sorgen, "dass der Euro krisenfest wird", sagte Nahles. Jetzt gehe es darum, gemeinsam mit Macron für eine EU-Reform zu handeln.
Neben den finanzpolitischen Fragen müsse es aber auch um soziale Mindeststandards in Europa gehen, etwa durch einen gemeinsamen Korridor für Mindestlöhne. Europa dürfe nicht nur über die Finanzpolitik wahrgenommen werden.
FDP-Chef Lindner kritisierte Merkels Vorschläge zur Eurozone.
Lindner fordert Regierungserklärung
FDP-Chef Christian Lindner kritisierte Merkel hingegen für das Zeitungsinterview. "Auf diese Botschaft aus Berlin hat Europa, aber hat auch Deutschland, jetzt Monate gewartet", sagte Lindner. Dass diese Ideen für ein solch wichtiges Thema nun aber "geradezu nebenbei und lapidar" über die Medien lanciert würden, halte die FDP "für nicht angemessen im Stil". Vielmehr solle die Kanzlerin ihre Vorschläge in einer Regierungserklärung darlegen.
Inhaltlich unterstütze die FDP die Forderung nach einer "Stärkung europäischer Handlungsfähigkeit" in der Einwanderungspolitik oder beim Grenzschutz. Bei Fragen der Wirtschafts- und Währungsunion warf Lindner Merkel jedoch vor, einen "Mittelweg" zwischen "mehr Transfers" einerseits und der Rückkehr zur Stabilität anderseits beschreiten zu wollen.
Merkel setze auf neue Geldtöpfe, die aber zu klein seien, um Wirkung zu entfalten, so Lindner. Der angedachte Europäische Währungsfonds drohe, zu "einer Art Dispokredit" für Staaten zu werden, die Schwierigkeiten hätten, sich an den Kapitalmärkten zu versorgen.
Grüne kritisieren "Balanceakt ohne eigene Visionen"
Die Grünen bewerten die Vorschläge der Kanzlerin als Balanceakt ohne eigene Visionen. Es sei typisch für die Kanzlerin, "nur das Allernotwendigste zu sagen", um Macron nicht zu verprellen, und andererseits Rücksicht auf die Konservativen in ihrer Partei zu nehmen, kritisierte Grünen-Chefin Annalena Baerbock.
Die Frage des sozialen Zusammenhalts spiele bei Merkel keine Rolle. Ein Europäischer Währungsfonds etwa müsse der Kontrolle des EU-Parlaments unterstellt werden, statt zwischenstaatlich organisiert zu sein, sagte Baerbock. Damit würde auch die Demokratie in Europa gestärkt. Das Europäische Parlament nicht ausreichend ernst zu nehmen, sie "die falsche Antwort auf den Rechtsruck in Europa".