May-Appell im Unterhaus "Wir müssen die Nerven behalten"
Die Zeit für einen neuen Brexit-Deal wird immer knapper: Premierministerin May will heute die Parlamentarier im Unterhaus über die Gespräche mit der EU informieren - und offenbar vor allem um Geduld bitten.
Die britische Premierministerin Theresa May will im Brexit-Streit heute an die Parlamentarier appellieren, "die Nerven zu behalten". "Die Gespräche befinden sich in einer entscheidenden Phase", heißt es im vorab in Auszügen verbreiteten Text der Rede, die die Regierungschefin im Unterhaus halten will.
In der Erklärung bittet May die Abgeordneten um mehr Unterstützung. Der Austritt aus der Europäischen Union müsse pünktlich vollzogen werden. "Ich glaube, wir können einen Deal erreichen, den das Parlament unterstützen kann." Dies sei unter anderem durch Änderungen am Backstop und die Stärkung der Rolle des Parlaments in der nächsten Phase der Verhandlungen möglich, so die Premierministerin.
Die Zeit drängt: Großbritannien will am 29. März die Staatengemeinschaft verlassen. Am Donnerstag sollen die Abgeordneten im Unterhaus über weitere Schritte im Brexit-Prozess abstimmen. May stößt mit ihrem EU-Brexit-Abkommen weiterhin auf erheblichen Widerstand im Unterhaus. Die EU lehnt Nachverhandlungen ab.
Die Unterhausvorsitzende Andrea Leadsom geht davon aus, dass May mehr Zeit fordern wird.
May bittet um Unterstützung
Nach den Worten der Unterhausvorsitzenden Andrea Leadsom will die Premierministerin im Unterhaus ein "bisschen mehr Zeit" für Verhandlungen fordern, sagte Leadsom dem Rundfunksender BBC.
Auch Iain Begg, Professor am Europa-Institut der London School of Economics, geht davon aus, dass May heute die Abgeordneten vertrösten und um mehr Zeit für weitere Verhandlungen mit Brüssel bitten werde. "Theresa May ist sehr hartnäckig. Sie wird wieder sagen, dass sie ihr Bestes gegeben hat. Aber wir werden keine wirkliche Lösung in der nächsten Woche erreichen."
Gerade der sogenannte Backstop stößt auf großen Widerstand im Parlament. Dabei handelt es sich um eine Garantieklausel für eine offene Grenze zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland. Die Regelung sieht vor, dass Großbritannien so lange als Ganzes Teil der Zollunion bleibt, bis eine bessere Lösung gefunden ist. Brexit-Befürworter in der Konservativen Partei befürchten, Großbritannien könne so dauerhaft eng an die EU gebunden bleiben.
Leadsom erklärte, eine Mehrheit werde den Brexit-Vertrag unterstützen, wenn der umstrittene Backstop zur Vermeidung von Grenzkontrollen zwischen Irland und dem britischen Nordirland befristet würde.
Barnier: Keine Änderungen am Vertrag
In zahlreichen Treffen mit EU-Vertretern versucht die britische Regierung derzeit, doch noch einen Ausweg aus der Sackgasse zu finden. Unter anderem reiste zuletzt Außenminister Jeremy Hunt nach Paris, während Brexit-Minister Stephen Barclay und Mays Stellvertreter David Lidington sich in Straßburg mit EU-Parlamentariern trafen.
Oppositionsführer Jeremy Corbyn hatte unter anderem eine dauerhafte Zollunion mit der EU vorgeschlagen. May lehnt dies ab. Der Brexit-Chefunterhändler der EU, Michel Barnier, forderte die Regierung in London auf, auf die Vorschläge Corbyns einzugehen. "Ich fand Corbyns Brief interessant in Ton und Inhalt", sagte er.
Treffen in Brüssel
Nach einem weiteren Treffen Barniers mit Barclay in Brüssel, sprach Barnier von einem "konstruktiven" Treffen. Er betonte aber erneut, dass es keine Änderung am Vertrag selbst geben werde. Nach seinen Angaben werden die Diskussionen in den "kommenden Tagen" fortgesetzt.
Für Begg ist die Verlängerung der Austrittsfrist nach Artikel 50 nun unausweichlich:
Der Druck, den Brexit zu verschieben, wächst. Dazu wäre die EU wohl auch bereit. Es gibt Signale, wie etwa von EU-Kommissar Günther Oettinger, der sagt: Wir würden einen gut begründeten Antrag für eine Verlängerung akzeptieren.