Analyse

Theresa May und die EU-Austrittsverhandlungen Zähe Scheidungsgespräche stehen bevor

Stand: 12.07.2016 19:39 Uhr

Großbritanniens künftige Regierungschefin May hat nicht für den Brexit geworben. Doch eine erneute Annäherung des Vereinten Königreichs an die EU ist wohl nicht zu erwarten. Die Vertragsverhandlungen mit Brüssel könnten hart werden.

Eine Analyse von Kai Küstner, ARD Brüssel

Brüssel kennt Theresa May und Theresa May kennt Brüssel. Als Innenministerin nahm die Nachfolgerin von David Cameron regelmäßig an Sitzungen im Kreis ihrer EU-Kolleginnen und Kollegen teil. Zuletzt am zehnten Juni beim Innenminister-Treffen in Luxemburg. Das war vor dem Brexit-Referendum, als May noch dafür warb, dass sich britische Interessen viel besser innerhalb der EU als von außen verwirklichen ließen.

"Entscheidungen, die hier getroffen werden, helfen die Sicherheitsinteressen des Vereinigten Königreichs zu verteidigen", sagte sie und nannte als Beispiele den Handel mit illegalen Waffen in Europa sowie den Versuch, die Faktoren einzuschränken, die Migranten nach Europa locken. Kontrolle zu gewinnen heiße nicht, den Tisch zu verlassen, sondern die Stimme zu erheben, so May.

Hassliebe zur EU

Auch wenn Theresa May den Briten damals dringend dazu riet, am europäischen Tisch sitzen zu bleiben, spielte sie dabei wie ihr Vorgänger Cameron stets die nationale Karte. Getreu dem Motto: "Wir lieben die EU nicht, aber ohne sie ginge es den Briten schlechter."

Künftig mit einem Brexit-Hardliner verhandeln und auskommen zu müssen, wäre für die Europäer sicher schwieriger gewesen. Doch leicht werde es mit Theresa May ganz und gar nicht, warnt der Grüne EU-Parlamentarier Jan-Philipp Albrecht im ARD-Hörfunk-Interview: "Sie hat sich in der Vergangenheit sehr kritisch zur EU geäußert.", sagte er.

Die Tatsache, dass May nicht für den Brexit geworben hat, bedeute nicht, dass sie offen für eine weitere Annäherung an die EU sei, so Albrecht. Im Gegenteil: May habe sich sogar für den Austritt aus der Europäischen Menschenrechts-Konvention ausgesprochen. "Das ist keine EU-Institution, aber eine sehr grundlegende europäische Vereinbarung. Damit werden die Staats- und Regierungschefs der verbleibenden 27 EU-Staaten umgehen müssen", erklärt Albrecht.

May - die neue "Eiserne Lady"?

Derzeit kursieren viele Vergleiche. Theresa May sei der "Eisernen Lady" Margaret Thatcher nicht unähnlich, meinen die einen. Denn sie handelte einst in Brüssel den sogenannten "Briten-Rabatt" aus. Deshalb durfte Großbritannien weniger in den EU-Haushalt einzahlen. Andere sehen eher Ähnlichkeiten zu Angela Merkel.

"Ich will persönlich sicherstellen, dass der bahnbrechende EU-Türkei-Deal vernünftig umgesetzt wird", sagte May. Im Juni lobte sie das von Merkel federführend ausgehandelte Flüchtlingsabkommen mit der Türkei. Ansonsten sind von der konservativen Britin in Sachen Einwanderung aber erheblich härtere Töne zu hören als von der deutschen Kanzlerin.

Die Brexit-Verhandlungen mit der EU werden wahrscheinlich nicht einfach. May und die Briten dürften ihr Versprechen wahrmachen und den EU-Zuzug auf die Insel begrenzen. Die Vorzüge des Binnenmarkts würden sie aber gern weiter genießen.

Dazu sagte Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem: "Wir brauchen Klarheit über die künftigen Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien. Das ist vor allem im Interesse der Briten. Wenn Investoren und Konsumenten eins nicht mögen, dann ist das Unsicherheit."

Mit diesen Worten trieb Dijsselbloem Theresa May schon einmal zur Eile an. Auch wenn es jetzt Hoffnung gibt, dass die Scheidungs-Gespräche schneller beginnen könnten - hart und zäh werden die in jedem Fall.

Kai Küstner, K. Küstner, ARD Brüssel, 12.07.2016 17:57 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 13. Juli 2016 um 09:11 Uhr