Fragen und Anworten Was ist über die Explosionen bekannt?
Die Ursache für die Explosionen in Beirut ist noch unklar. Libanons Premier führt sie auf Ammoniumnitrat zurück. Währenddessen wird das Ausmaß der Zerstörung immer deutlicher - und die Krankenhäuser sind überfordert. Ein Überblick.
Was ist passiert?
In der libanesischen Hauptstadt Beirut haben sich am Dienstag mehrere Explosionen in der Nähe des Hafens ereignet. Auf Videos vom Vorfall ist zunächst ein Brand zu sehen - ob dieser die Ursache für die Katastrophe war, ist aber noch unklar. In der Rauchsäule des Brandes waren mehrere kleinere Explosionen zu sehen, die an Feuerwerkskörper erinnern. Kurz darauf folgten eine gewaltige Detonation mit einer Wolke, die pilzförmig in den Himmel aufstieg, und eine Druckwelle, die sich blitzschnell kreisförmig nach außen ausbreitete.
Durch die Wucht der Explosion zersplitterten Glasscheiben in kilometerweiter Entfernung, Straßen waren mit Trümmern und Glasscherben übersät. Große Teile des Hafens wurden vollständig zerstört und umliegende Stadtgebiete verwüstet. Dadurch wurden etwa 300.000 Menschen obdachlos. Die Regierung geht in einer ersten Schätzung von Schäden in Höhe von drei bis fünf Milliarden US-Dollar aus. Kurz nach der Explosion fielen Telefon und Internet in der Stadt vorübergehend aus.
Noch Stunden später kreisten Hubschrauber über der Gegend, um gegen die Flammen anzukämpfen. Die Detonationen waren im gesamten Land zu hören - und auch im 240 Kilometer entfernten Nikosia auf der Mittelmeerinsel Zypern. Dem Deutschen Geoforschungszentrum GFZ zufolge waren die Erschütterungen mit einem Erdbeben der Stärke 3,5 vergleichbar.
Wie viele Opfer gibt es?
Nach Angaben der libanesischen Nachrichtenagentur NNA wurden bisher 130 Tote und 5.000 Verletzte gezählt. Die Zahlen dürften jedoch steigen. Die Suche nach Vermissten geht weiter.
Unter den Toten ist nach Angaben des Auswärtigen Amtes auch eine Mitarbeiterin der deutschen Botschaft in Beirut. Sie sei in ihrer Wohnung ums Leben gekommen. Angesichts der starken Schäden im Stadtgebiet schloss das Auswärtige Amt nicht aus, dass weitere deutsche Staatsangehörige unter den Todesopfern und Verletzten sein könnten.
Beschädigt wurde zudem ein Schiff der Vereinten Nationen: Blauhelmsoldaten der UN-Mission im Libanon (UNIFIL) seien verletzt worden, einige von ihnen schwer, hieß es in einer UN-Erklärung.
Die ohnehin schon durch die Corona-Pandemie überlasteten Krankenhäuser der Stadt sind durch die Einlieferungen der zahlreichen Verletzten überfordert. "Es ist eine Katastrophe im wahrsten Sinne des Wortes", sagte Gesundheitsminister Hamad Hassan beim Besuch eines Hospitals.
Welche Erklärungen und Spekulationen gibt es?
Die Ursache der Detonationen ist bisher ungeklärt.
Der libanesische Ministerpräsident Hassan Diab gab an, im Hafen sei eine sehr große Menge Ammoniumnitrat explodiert. Die 2750 Tonnen des Materials seien seit sechs Jahren ohne Vorsichtsmaßnahmen in einem Lagerhaus untergebracht gewesen. Der Sicherheitschef der Regierung, Abbas Ibrahim, sagte, das Ammoniumnitrat sei seinerzeit beschlagnahmt worden. Ein Auslöser für die Explosion des Ammoniumnitrats ist jedoch unbekannt. Die Substanz kann zur Herstellung von Sprengstoff verwendet werden.
US-Präsident Donald Trump spekulierte über einen Anschlag als Ursache der Explosionen. "Ich habe einige unserer großartigen Generäle getroffen, und sie scheinen einfach das Gefühl zu haben, dass es sich hier nicht um eine Art von Fabrikationsexplosion gehandelt hat. (...) Sie scheinen zu glauben, dass es ein Angriff war. Es war eine Art Bombe", sagte Trump am Dienstagabend in Washington. Weder vom Pentagon noch den libanesischen Behörden kamen jedoch irgendwelche öffentlichen Hinweise darauf, dass es sich möglicherweise um einen Anschlag gehandelt haben könnte.
Trump hat inzwischen eingeräumt, dass die Explosionen doch durch einen Unfall ausgelöst worden sein könnten. Es könne sich um einen "Unfall" oder um einen "Angriff" handeln, sagte Trump bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus. Zum jetzigen Zeitpunkt wisse dies "niemand".
Was passiert jetzt?
Regierungschef Diab kündigte an, die Verantwortlichen für die Explosionen "zur Rechenschaft" zu ziehen. Der Präsident des Libanon, Michel Aoun, rief den Nationalen Sicherheitsrat zusammen, um die Ursachen der Katastrophe zu klären. "Ich werde nicht ruhen, ehe ich den Verantwortlichen kenne und ihm die härteste Strafe gebe", sagte Aoun laut Zitaten des Präsidialamts bei Twitter. Aoun rief eine dreitägige Staatstrauer aus.
Der Oberste Verteidigungsrat des Landes erklärte Beirut zur "Katastrophenzone". Für die Stadt wurde ein zwei Wochen langer Notstand verhängt.
In welcher Situation ist der Libanon?
Der Libanon befindet in einer schweren Wirtschaftskrise, fast die Hälfte der Bevölkerung lebt in Armut. Das Land gehört weltweit zu den am stärksten verschuldeten Staaten. Offiziellen Angaben zufolge liegt die Arbeitslosigkeit bei 35 Prozent. Seit Herbst vergangenen Jahres gab es immer wieder Demonstrationen gegen Misswirtschaft und Korruption. In den vergangenen Monaten wurde die Situation durch die Corona-Pandemie verschlimmert.