EU-Vertreter und Regierungschef besuchen Lampedusa EU will mit 30 Millionen Euro helfen
EU-Kommissionspräsident Barroso und Italiens Regierungschefs Letta sind nach Lampedusa gereist um sich dort ein Bild von der Lage zu machen. Menschenrechtler und Flüchtlinge begrüßten die Politiker mit Buhrufen. Die Haltung der EU zur Asylpolitik steht in der Kritik.
Mit Buh-Rufen sind EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und Italiens Regierungschef Enrico Letta auf der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa empfangen worden. Menschenrechtler und Einwohner riefen "Schande!" und "Mörder!" und schwenkten Fotos von Flüchtlingen, als die Politiker am Flughafen eintrafen. Auch auf dem Weg zum Hafen von Lampedusa wurde der Politiker-Konvoi von Beschimpfungen begleitet.
Bei ihrem Besuch auf Lampedusa wollen sich Barroso und Letta ein Bild von der Lage vor Ort machen, begleitet werden sie von EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström und dem italienischen Innenminister Angelino Alfano. Geplant sind zudem Treffen mit Mitarbeitern der Küstenwache, Flüchtlingen, Vertretern von Hilfsorganisationen und Lokalpolitikern.
Vor der Küste von Lampedusa war am vergangenen Donnerstag ein Schiff mit hunderten Flüchtlingen gekentert, von denen bisher rund 290 tot geborgen wurden. Nur 155 Bootsinsassen konnten gerettet werden, die Zahl der Todesopfer wird auf zwischen 300 und 390 geschätzt. Letta gab bekannt, dass es für die Opfer ein Staatsbegräbnis geben solle. Die Opfer hätten ein Recht auf ein solches Begräbnis, sagte er.
Proteste von Flüchtlingen
Am Vortag hatten Flüchtlinge bereits gegen ihre Unterbringung in einem Auffanglager protestiert. Sie warfen Matratzen aus den Gebäuden und versuchten, Busse mit Neuankömmlingen auf dem Weg ins das überfüllte Lager aufzuhalten. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR teilte mit, die Lebensbedingungen in der Einrichtung seien "vollkommen inakzeptabel".
Seit dem Tod Hunderter Menschen vor Lampedusa wird in der EU heftig über die europäische Flüchtlingspolitik diskutiert. Die EU-Innenminister lehnten auf einem Treffen gestern eine grundlegende Änderung der gemeinsamen Asylpolitik ab. Demnach ist dasjenige Land für die Aufnahme von Flüchtlingen und die Bearbeitung ihrer Asylanträge zuständig, in dem Ankömmlinge zuerst die Europäische Union erreichen. Länder wie Italien beklagen eine Überlastung durch die EU-Asylpolitik. Als erste Reaktion auf die Katastrophe beschloss die EU auf Wunsch von Italien die Einsetzung einer Arbeitsgruppe, die Probleme in diesem Bereich untersuchen soll.
"Ich glaube, es ist deutlich geworden, dass wir in erster Linie die Seenotrettung im Mittelmeer verbessern wollen und verbessern müssen", hatte Bundesinnenminister Friedrich erklärt. Damit bezog er sich auf das Grenzüberwachungs-System Eurosur, das am Donnerstag im EU-Parlament zur Abstimmung steht und Anfang Dezember eingeführt werden soll.
Kritik an EU-Innenministern
Schwere Kritik an der europäischen Flüchtlingspolitik haben unterdessen Hilfsorganisationen geübt. Pro Asyl warf in einem Interview des Bayerischen Rundfunks den EU-Innenministern "völliges Versagen" vor: "Das Sterben auf dem Meer wird weitergehen", sagte Geschäftsführer Günter Burkhardt. Die Flüchtlingsorganisation Gemeinsam für Afrika kritisierte eine europäische Abschottungsstrategie und sprach von einer "menschenverachtenden Praxis unterlassener Seenothilfe".