Vorwürfe gegen Kroatien Illegale Abschiebung gefilmt?
Kroatien bestreitet seit langem, Migranten illegal und gewaltsam nach Bosnien abzuschieben. Versteckt gedrehtes Filmmaterial dokumentiert nun das Vorgehen an der Grenze.
Seit mehr als einem Jahr erheben Flüchtende, Migranten und Hilfsorganisationen schwere Vorwürfe gegen die kroatische Polizei. Wenn sie aufgegriffen würden, dann gebe ihnen die kroatische Polizei keine Chance, Asyl zu beantragen und schicke sie über die grüne Grenze zurück, berichten die Menschen immer wieder. Außerdem sagen sie, dass ihnen kroatische Polizisten Geld abnehmen, ihre Handys zerstören und sie verprügeln würden.
Chandra Esser arbeitet für "Border Violence Monitoring". Die Nichtregierungsorganisation hat seit 2017 fast 500 Berichte über rechtswidrige Pushbacks ins Netz gestellt. "Die systematischste Gewalt geht von der kroatischen und der ungarischen Polizei aus. Da können wir wirklich die Gewaltpraktiken vergleichen. Es ist, als hätte jemand einen Zettel geschrieben auf dem steht, was die Polizisten machen sollen, wenn die Flüchtenden aufgegriffen werden", sagt Esser.
Behörden: Migranten wurde nur Einreise verweigert
Die kroatischen Behörden haben diese Vorwürfe stets zurückgewiesen, auch gegenüber dem ARD-Studio Südosteuropa. Im Dezember 2018 veröffentlichte die ARD Aufnahmen von vermeintlichen Pushbacks an der bosnisch-kroatischen Grenze, die eine versteckte Kamera aufgenommen hatte: Zu sehen waren 368 Menschen, die von kroatischen Polizisten in Richtung Bosnien geführt wurden. Die Polizisten kamen nach wenigen Minuten alleine zurück.
Das kroatische Innenministerium erklärte damals, die Migranten seien keinesfalls abgeschoben worden und schon gar nicht illegal, sondern lediglich an der Einreise gehindert worden. Das wäre nach dem Schengener Grenzkodex legal.
"Geht nach Bosnien"
Die Grenze zwischen Bosnien und Herzegowina und dem EU-Land Kroatien in der Nähe der bosnischen Stadt Velika Kladusa Ende April 2018. Ein Team des Schweizer Fernsehens SRF liegt seit Tagen auf der Lauer im Gebüsch. Dann der Volltreffer: Mit dem Teleobjektiv filmen die Journalisten eine brisante Szene. Zuerst ist in der Ferne ein Polizeiwagen zu sehen, dann folgt ein weißer Transporter und verschwindet hinter einem Wäldchen. Wenige Minuten später sieht man einen kroatischen Polizeibeamten in blauer Uniform, wie er eine größere Gruppe von Menschen zum Grenzstein führt und ihnen per Handzeichen den Weg nach Bosnien weist. Die Gruppe wandert weiter ins Tal und wird dort von den Schweizer Journalisten abgepasst.
"Was ist Ihnen passiert", fragt einer der Journalisten. Ein sichtlich erschöpfter junger Mann mit blauer Jacke antwortet:
Sie haben die Tür des Vans geöffnet und gesagt: 'Einer nach dem anderen raus.' Und dann haben sie unsere Handys zerstört und uns unser Geld nicht zurückgegeben. Dann haben sie uns mit Stöcken geschlagen und gesagt: 'Geht nach Bosnien.
Kroatien soll sogenannte Pushbacks anwenden und so Migranten illegal nach Bosnien abschieben.
Erst eingesperrt, dann über die Grenze gebracht
Die Aufnahmen stammen von der Journalistin Nicole Vögele. Sie ist überzeugt, dass sie einen Pushback, also eine illegale Abschiebung, dokumentiert hat. Es sei immer dasselbe Muster, sagt Vögele, die wochenlang in der Region recherchiert hat:
Diese Menschen wurden im Landesinneren aufgesammelt, eingepackt, auf Polizeireviere gefahren, ein zwei Tage eingesperrt, dann in einen Van verfrachtet und in stundenlangen Fahrten an die grünen Grenzübergänge gefahren.
Nicht nur die Vorwürfe der illegalen Pushbacks weisen die kroatischen Behörden zurück. Sie verwehren sich auch gegen Berichte, Gewalt gegen friedliche Migranten und Flüchtende anzuwenden. Doch an diesen Darstellungen gibt es Zweifel.
EU billigt "Drecksarbeit"
Ranko Ostojic war bis 2016 kroatischer Innenminister, jetzt ist der Sozialdemokrat Vorsitzender des Innenausschusses im kroatischen Parlament. Migranten, die eventuell illegal eingereist seien, müssten ein gesetzlich festgeschriebenes Verfahren durchlaufen, betonte er in einem Interview mit dem ARD-Studio Südosteuropa im Februar 2019. Sie einfach über die Grenze zurückzuschicken, nennt er "Drecksarbeit", die von der EU gebilligt werde:
Diese Drecksarbeit erledigt die kroatische Polizei, weil es von unserem Verhalten an der Grenze abhängt, ob wir ein Schengen-Land werden. Wenn das der Weg ist und wir uns so benehmen, dann ist das keine EU mehr.
Auch SRF-Journalistin Vögele kommt nach ihren Recherchen zum Schluss, dass an der Grenze "Gewalt stattfindet, dass Diebstahl stattfindet, dass Zerstörung vom Eigentum stattfindet".