Hintergrund

Geheimdienstaffäre in Luxemburg Agenten und Bommeleeër

Stand: 10.07.2013 21:36 Uhr

In der luxemburgischen Geheimdienstaffäre geht es um ein Netz aus Intrigen, Verschwörung und illegalen Abhöraktionen. Darin verwickelt ist auch "Mister Euro", Regierungschef Jean-Claude Juncker. Der Vorwurf an ihn: Untätigkeit.

Von Anna-Mareike Krause, tagesschau.de

Nach dreißig Jahren in der Regierung, davon 18 Jahren als Regierungschef, ist Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker in die Geheimdienstaffäre verwickelt. Sechs Monate lang arbeitete der parlamentarische Untersuchungsausschuss die Affäre auf. In seinem Abschlussbericht wird Juncker die politische Verantwortung für ein Eigenleben des Geheimdienstes zur Last gelegt.

Denn während Juncker als Vorsitzender der Euro-Gruppe durch die Banken- und Finanzkrise navigierte, verlor er offenbar daheim die Kontrolle über den Geheimdienst. Um den Service de Renseignement de l'État du Luxembourg (SREL) spannte sich ein filmreifes Netz aus Intrigen, Verschwörung und ungenehmigten Abhöraktionen.

"Mister Euro"

Juncker, der dienstälteste Regierungschef Europas. Geschätzt in Brüssel, beliebt in seinem eigenen Land. Der ausführlichste Abschnitt in seinem Wikipedia-Eintrag sind seine Auszeichnungen. 67 verschiedene Ehrungen hat der luxemburgische Premierminister seit 1988 erhalten, darunter Ehrenbürgerschaften und Ehrendoktorwürden zahlreicher Universitäten. Die Zeitschrift "European Voice" wählte ihn 2005 zum Europäer des Jahres, er ist Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes mit Stern und Schulterband und seit 2006 des Karlspreises der Stadt Aachen, der wahrscheinlich höchsten europäischen Auszeichnung.

Der Mann, der längst den Spitznamen "Mister Euro" verpasst bekam, ist immer wieder geehrt worden für seine Verdienste um und für Europa. An der Einführung des Euros war er als damals jüngster Finanzminister Europas beteiligt und soll sie wesentlich gestaltet haben. 2004 wurde er zum Vorsitzenden der Euro-Gruppe gewählt - eigentlich nur für zwei Jahre. Doch Juncker wurde immer wieder im Amt bestätigt. Insgesamt acht Jahre lang lenkte er die Euro-Gruppe. Im Januar dieses Jahres legte er das Amt nieder, wie bereits ein Jahr vorher angekündigt. Die Geheimdienstaffäre, die das kleine Land erschüttert, war da längst im Gang.

Die Affäre "Bommeleeër"

Was Juncker angelastet wird, ist vor allem seine Untätigkeit. Lange ging er nicht gegen den Geheimdienst vor, nicht einmal dann, als er selbst betroffen war von den Aktivitäten. Auch, wenn vor allem Struktur und Arbeitsweise des Geheimdienstes in der Kritik stehen - der Ursprung der Verwicklungen liegt in der "Affaire Bommeleeër", der Bombenlegeraffäre. Zwischen 1984 und 1986 gab es eine Serie von Bombenanschlägen auf öffentliche Gebäude und Infrastruktureinrichtungen in Luxemburg.

Die Täter blieben lange unentdeckt. Erst seit Februar dieses Jahres stehen zwei Polizisten vor Gericht. Ihnen wird vorgeworfen, die Anschläge verübt zu haben, um mehr Personal und Ausrüstung für die Polizei zu erzwingen.

Illegale Abhöraktionen, windige Geschäfte

Mit Juncker selbst hat dies zwar nicht unmittelbar zu tun. Doch als sich 20 Jahre später ein Zeuge meldet, nimmt der Geheimdienst dessen Treffen mit Juncker auf - ohne einen gerichtlichen Beschluss. In mindestens sechs Fällen hörten Geheimdienstler Gespräche ab, ohne dafür eine gerichtliche Grundlage zu haben. Im November 2007 schneidet der Chef des Geheimdienstes, Marco Mille, ein Gespräch mit Juncker heimlich mit einer Wanze in einer Armbanduhr mit.

Hinzu kommen immer wieder Gerüchte um windige Geschäfte und Aktionen rund um Mille und seine Behörde. Angehörige des Geheimdienstes sollen mit Dienstwagen gehandelt haben, Führungskräfte eine Diffamierungskampagne gegen einen Staatsanwalt angezettelt haben, in der ihm Pädophilie unterstellt wurde, wie luxemburgische Zeitungen berichten.

Vorwurf: Untätigkeit

Doch Juncker leitete keine Disziplinarmaßnahmen ein und informierte auch die Staatsanwaltschaft nicht. Erst rund ein halbes Jahr, nachdem Mille ihm seine Abhöraktivitäten gesteht, informiert Juncker den parlamentarischen Kontrollausschuss des Geheimdienstes über die Aufnahme. Drei Jahre lang bewahren die Ausschussmitglieder Stillschweigen. Heute ist der Vorfall verjährt, und bleibt somit ohne strafrechtliche Konsequenzen - auch, weil Juncker so lange schwieg. Das Verhältnis zu Mille ist zerrüttet, der Geheimdienstchef wechselte 2010 als Sicherheitschef zu Siemens.

Ein halbes Jahr lange untersuchte nun ein parlamentarischer Ausschuss die Affäre. Dessen Vorwurf gegen Juncker ist, er habe sich um den SREL "nicht genug gekümmert". Die Oppositionsparteien entzogen Juncker das Vertrauen, die sozialistische Fraktion war von seiner Erklärung nicht überzeugt. Nachdem der Premier die Konsequenzen aus der Affäre zog und den Rücktritt der Regierung ankündigte, ist der Weg frei für Neuwahlen.

Denkbar ist aber, dass die Regierung danach die gleiche ist wie jetzt. Denn Juncker erwägt, wieder zu kandidieren. Und nach luxemburgischen Umfragen hätte er gute Chancen, wiedergewählt zu werden.