Juncker-Abschied vor dem EU-Parlament "Ohne die Deutschen wäre einiges machbar gewesen"
Ein altes Thema von Jean-Claude Juncker stand im Mittelpunkt seiner Abschiedsrede als Eurogruppenchef vor dem EU-Parlament: Nur wer die anderen versteht, kann Europa voranbringen. Und an diesem Verständnis habe es in letzter Zeit öfter gefehlt, so Juncker, vor allem in Deutschland und Frankreich.
Von Wolfgang Landmesser, WDR-Hörfunkstudio Brüssel
Müde und ausgelaugt hatte Jean-Claude Juncker im letzten Jahr gewirkt. Zum Ende seiner Amtszeit lebt er jetzt auf. Auf der Bühne des Europaparlaments ist er noch mal ganz der Alte. Bei seinem letzten Auftritt sei es sein Privileg, länger zu reden, sagt der Noch-Eurogruppenchef vor dem Wirtschaftsausschuss. Und so holt er bei den Fragen der Abgeordneten schon mal weiter aus. Auch zum Schlag gegen die großen Mitgliedsländer.
Vor allem Deutschland und Frankreich hatten ihm das Leben oft schwer gemacht. Die Qualität des deutsch-französischen Konzerts habe noch nie alle politischen Musikliebhaber begeistert, greift er eine Metapher auf. Speziell bei der Rolle der Deutschen in der Eurokrise wird er richtig deutlich: "Ohne die Deutschen wäre einiges machbar gewesen, was hier angemahnt wird."
Heimspiel vor dem Parlament
So ist Juncker dafür, marode Banken in der Eurozone direkt mit frischem Kapital zu versorgen, um so die Staatshaushalte der Krisenländer zu entlasten. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble tritt hier immer wieder auf die Bremse. Im Europaparlament hat er dagegen ein Heimspiel. Dank an Juncker gab es aus fast allen Fraktionen für seine acht Jahre an der Spitze der Eurozone.
"Es war ein Vergnügen mit Ihnen zusammenzuarbeiten", sagte der Konservative Jean-Paul Gauzès. "Auch von uns ein herzliches Dankeschön für die offenen Worte, die Sie nicht nur hier, sondern auch in der Öffentlichkeit immer wieder gefunden haben", sagte der Grüne Sven Giegold. Auch der Liberale Wolf Klinz lobte Juncker: "Ich weiß nicht, ob Sie ein Weiser sind, aber was ich weiß ist, dass sie ein überzeugter Europäer sind."
Und der Luxemburger revanchierte sich mit weisen Worten: "Konfuzius hat gesagt, wenn die Worte ihren Sinn verlieren, entsteht das Chaos. Wir sind auf dem Weg ins Chaos." Das lässt er wohlgemerkt den chinesischen Philosophen sagen - und meint damit die Vielstimmigkeit in der Europäischen Union. Wo die Regierungschefs der Mitgliedsstaaten zu Hause auf Brüssel schimpften und bei den Gipfeltreffen gemeinsame Lösungen blockierten.
Ein Mann mit Ambitionen
Ein altes Thema von Jean-Claude Juncker: Nur wer die anderen versteht, kann Europa voranbringen: "Als kleiner Luxemburger sind Sie eigentlich dazu verdammt, mindestens so viel über die Nachbarn zu wissen wie über sich selbst, im Wissen darüber, dass die Nachbarn sich für Luxemburg kaum interessieren."
Jetzt tritt Jean-Claude Juncker als einer der EU-Frontmänner ab und konzentriert sich wieder auf den Job als luxemburgischer Ministerpräsident. Vorerst. Denn nach wie vor fühlt sich der gerade mal 58-Jährige zu Höherem berufen. Der erste hauptamtliche Vorsitzende der EU-Staats- und Regierungschefs wäre er gerne geworden. Aber auch andere Ämter reizen ihn. Diese Ambitionen spricht auch der österreichische Europaabgeordnete Hans-Peter Martin an: "Ich wünsche mir sehr, dass es vielleicht doch noch eine Chance gibt, aus dir 2014 den EU-Kommissionspräsidenten zu machen."
Und auch für die Korrespondenten hat er hinterher noch eine Botschaft: Bald sei er ein freier Mann und könne seine Sicht der Dinge frei ausdrücken: "Sie werden von mir hören", sagt er. Und das glauben wir ihm ganz bestimmt.