Mittel gegen Ansehensschwund Juncker will eine gemeinsame EU-Armee
"Man scheint uns außenpolitisch nicht ernst zu nehmen" - EU-Kommissionschef Juncker sieht Europas Ansehen in der Krise. Sein Vorschlag: eine gemeinsame EU-Armee, auch als Signal an Moskau. Außerdem forderte Juncker einen gemeinsamen Finanzminister.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat die Gründung einer gemeinsamen europäischen Armee gefordert. Damit könnte Europa glaubwürdig auf eine Bedrohung des Friedens in einem Mitglieds- oder einem EU-Nachbarland reagieren, sagte Juncker der "Welt am Sonntag". Sie "würde Russland den klaren Eindruck vermitteln, dass wir es ernst meinen mit der Verteidigung der Werte der Europäischen Union".
Eine solche Armee zeigte der Welt, dass es zwischen den EU-Ländern nie wieder Krieg geben werde, sagte Juncker weiter. Es gehe nicht um Konkurrenz zur NATO, sondern darum, gemeinsam die Verantwortung Europas in der Welt wahrzunehmen. "Europa hat enorm an Ansehen verloren, auch außenpolitisch scheint man uns nicht ganz ernst zu nehmen."
Der Ex-Regierungschef Luxemburgs wies zugleich auf die organisatorischen und finanziellen Vorteile des Vorhabens hin. So würde es zu einer intensiven Zusammenarbeit bei Entwicklung und Kauf von militärischem Gerät führen und erhebliche Einsparungen bringen.
Lob aus Berlin
Zustimmung erhielt Juncker aus der Berliner Regierungskoalition. Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte im Deutschlandfunk, das Verflechten von Armeen, um eines Tages eine europäische Armee zu haben, sei "die Zukunft". Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, der CDU-Politiker Norbert Röttgen, nannte eine gemeinsame Armee "eine europäische Vision, deren Zeit gekommen ist".
Der SPD-Politiker Hans-Peter Bartels, der dem Verteidigungsausschuss vorsitzt, verlangte, nicht auf ein Gesamtkonzept aller 28 EU-Mitglieder zu warten, sondern mit Vereinbarungen zwischen den Nationalstaaten zu beginnen.
Kritik kam hingegen von der Linken. "Junckers Vorschlag ist eindeutig gegen Russland gerichtet", sagte die verteidigungspolitische Fraktionssprecherin Christine Buchholz. Statt einer europäischen Einsatzarmee und einer europäischen Rüstungspolitik brauche Europa eine friedliche Außenpolitik und Abrüstung.
"Mittelfristig gemeinsame Haushaltsmittel"
Juncker forderte auch, dass die Euro-Länder auf mittlere Sicht eine gemeinsame Budgetplanung haben: "Ich bin dafür, dass die Staaten der Euro-Zone mittelfristig gemeinsame Haushaltsmittel erhalten, um die Konjunktur steuern zu können". Auch wäre ein eigener Finanzminister für den Währungsraum sinnvoll. Er bräuchte „eine gesamteuropäische Haushaltsgewalt“ und müsste parlamentarisch kontrolliert werden.
Der Kommissionschef sprach allerdings auch von erhebliche politischen Hindernissen: Es müsste dafür "gewaltige Vertragsänderungen" geben. "Dafür müssten die Mitgliedstaaten bereit sein, auf Souveränität zu verzichten", sagte er.