Johnsons Parlamentsrede Großbritannien soll großartig werden
Boris Johnson geht gleich ans Eingemachte: In seiner ersten Parlamentsrede als Premier hat er die EU zu Neuverhandlungen aufgerufen. Er verspricht den Briten ein großartiges Land - und den EU-Bürgern ein Bleiberecht.
Großbritanniens neuer Premierminister Boris Johnson hat seinem Land eine großartige Zukunft versprochen, indem es die Europäische Union verlässt. "Unsere Mission ist es, Großbritannien am 31. Oktober aus der EU zu führen und es zum großartigsten Land auf der Erde zu machen", sagte Johnson bei seiner ersten Rede vor dem britischen Parlament nach Amtsantritt. Im Jahr 2050 könne Großbritannien die florierendste Wirtschaft Europas und somit Zentrum eines neuen Netzwerks an Handelsabkommen sein.
Johnson versprach den mehr als drei Millionen EU-Bürgern im Land zudem ein Bleiberecht für die Zeit nach dem Brexit. Damit wiederholte er ein Versprechen, das er bereits vor der Amtsübernahme gegeben hatte.
Gleichzeitig ging er auf Konfrontation mit der EU und drohte, im Falle eines ungeregelten Brexits die Austrittsrechnung von umgerechnet knapp 44 Milliarden Euro nicht zu begleichen. Das Geld solle stattdessen in die Vorbereitungen eines vertragslosen Austritts gehen. Großbritannien werde keinen Kommissar für die neu zu besetzende EU-Kommission nominieren, kündigte er zudem an.
Immer wieder wurde Johnson in seiner Rede von Zwischenrufern unterbrochen. Er forderte eine Neuverhandlung des Brexit-Abkommens mit der EU. Andernfalls müsse sein Land die Union am 31. Oktober ohne einen Deal verlassen. Er und alle Minister seien verpflichtet, den Austritt Ende Oktober umzusetzen - "unter allen Umständen". Ansonsten komme es zu einem "katastrophalen Vertrauensverlust", warnte der Premier.
Das von seiner Vorgängerin Theresa May ausgehandelte Abkommen sei "für das Abgeordnetenhaus und das Land inakzeptabel", so Johnson. Einen Kommissar für die neu zu besetzende EU-Kommission werde sein Land nicht nominieren, bekräftigte der Premier.
"Andere Lösungen sind möglich"
"Ich akzeptiere das Argument nicht, dass es die einzige Lösung sei, wenn Großbritannien oder Teile davon in der Zollunion und im EU-Binnenmarkt verbleiben", sagte er. "Andere Lösungen sind eindeutig möglich."
Damit meinte er den sogenannten Backstop, eine Übergangslösung, die sicherstellen soll, dass es beim Brexit keine harte Grenze zwischen der Republik Irland - die weiter zur EU gehören wird - und Nordirland - das dann zum Nicht-mehr-EU-Staat Großbritannien gehören wird - geben wird.
Die Gegner des Abkommens lehnen den Backstop strikt ab, mit dem Argument, Großbritannien würde dadurch viel zu eng an die EU gekettet. Brüssel aber beharrt darauf.
Labour-Chef Corbyn sagte: "Es hat etwas geradezu gespenstisch Vertrautes, wenn der Premierminister nach Brüssel geht und Änderungen am Backstop einfordert. Wieso glaubt der Premierminister, dass ihm gelingen wird, was seine Vorgängerin nicht geschafft hat?"
Kein Misstrauensvotum am ersten Tag
Johnson war zudem erstmals mit seinem neuen Kabinett zusammengekommen. Im Kabinett waren viele neue Gesichter zu sehen, weil Johnson die Minister seiner Vorgängerin weitgehend ausgetauscht und durch Brexit-Hardliner ersetzt hat.
Die oppositionellen Liberaldemokraten hatten im Vorfeld dazu aufgerufen, Johnsons Regierung schon am ersten vollen Tag seiner Amtszeit mit einem Misstrauensvotum zu konfrontieren. Diese Aufforderung lehnte die Labour-Partei ab. Ein Misstrauensvotum würde Johnson zu diesem Zeitpunkt bloß stärken.
Brüssel entschieden gegen Neuverhandlung
Bei der EU stößt Johnson mit seiner Forderung nach einer Neuverhandlung auf taube Ohren. Die Position der Europäischen Union bleibe unverändert, sagte die Sprecherin von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Das mit Johnsons Vorgängerin May ausgehandelte Austrittsabkommen sei der "bestmögliche Deal".
Denkbar sei lediglich, die geplante politische Erklärung zu den künftigen Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien zu ergänzen. Gleichzeitig warnte die Kommission Großbritannien erneut davor, die EU ohne ein Abkommen zu verlassen. Die Folge wären erhebliche wirtschaftliche Einbußen, die Großbritannien stärker treffen würden als die EU, sagte die Sprecherin.