Getötete Helfer im Gazastreifen "Das ist anders als alles, was wir je erlebt haben"
Viele Helfer sind im Nahost-Krieg durch israelische Angriffe ums Leben gekommen. Hilfsorganisationen haben Israel deshalb scharf kritisiert. Obwohl die Arbeit in Gaza immer schwieriger wird, wollen die meisten nicht aufgeben.
Rund ein halbes Jahr dauert der Gaza-Krieg nun schon - in der Zeit sind nach Angaben der Vereinten Nationen mehr als 180 Mitarbeiter von internationalen Hilfsorganisationen ums Leben gekommen. Diese haben scharfe Kritik an der Kriegsführung Israels im Gazastreifen geäußert.
"Dieses Muster von Angriffen ist entweder vorsätzlich oder ein Zeichen von rücksichtsloser Inkompetenz", sagte der Generalsekretär von Ärzte ohne Grenzen International, Christopher Lockyear. "Es zeigt nicht nur, dass Maßnahmen zur Entschärfung (des Konflikts) versagen, sondern auch die Sinnlosigkeit dieser Maßnahmen in einem Krieg, der ohne Regeln geführt wird."
Mehrere Hilfsorganisationen kritisierten die unsicheren und prekären Arbeitsbedingungen für ihre lokalen und internationalen Mitarbeiter. "Wir können unsere Arbeit unter den derzeitigen Umständen nicht richtig machen. Das ist anders als alles, was wir je erlebt haben", sagte Amber Alayyan, stellvertretende Programmleiterin für Nahost von Ärzte ohne Grenzen Paris.
Save the Children: Niemand ist in Gaza sicher
Die Helferinnen und Helfer im Gazastreifen seien nach all den Monaten erschöpft, sagte der Leiter der Internationalen Zusammenarbeit des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), Christof Johnen, der Nachrichtenagentur dpa. "Wir haben Kollegen, die in chirurgischen Teams des internationalen Komitees vom Roten Kreuz gearbeitet haben - das sind erfahrene Leute, die in Irak, in Afghanistan, in Südsudan und überall gearbeitet haben. Sie sagen, unter so schwierigen Umständen haben sie noch nicht arbeiten müssen", sagte Johnen. Für humanitäre Helfer sei der Gaza-Krieg einer der schlimmsten Konflikte derzeit.
Zuletzt starben am Montagabend sieben teils ausländische Mitarbeiter der Hilfsorganisation World Central Kitchen (WCK) bei einem israelischen Luftangriff. "Dass diese Angriffe auf humanitäre Helfer zugelassen werden, ist eine politische Entscheidung", sagte Lockyear.
"Wir sind nicht besonders sicher hier, aber die Bevölkerung in Gaza ist es auch nicht", sagte Karyn Beattie, Teamleiterin von Save the Children in Gaza. Mehrere Hilfsorganisationen werden trotzdem in Gaza bleiben. "Wir werden nie aufhören, zu arbeiten und unseren Mitarbeitern im Gazastreifen zu helfen", sagte Isabelle Defourny, Vorstandsvorsitzende von Ärzte ohne Grenzen Frankreich.
Nirgendwo in Gaza gibt es Schutz
Organisationen wie Oxfam, Save the Children und Doctors of the World sind der gleichen Überzeugung. "Das Dramatische ist, dass wir uns schon vor diesem Vorfall in einer sehr dramatischen Lage befunden haben", sagte der Direktor von Ärzte der Welt Deutschland, François De Keersmaeker, der dpa. Es sei klar, dass es nirgendwo in der Region einen richtigen Schutz gebe.
Ihr Gebäude in Gaza-Stadt sei bombardiert und zerstört worden, obwohl es als Büro einer Nichtregierungsorganisation gekennzeichnet und den israelischen Behörden als solches gemeldet worden sei, sagte de Keersmaeker. "Das sind Sachen, die tagtäglich in Gaza passieren, und wo wir das Vertrauen in alle Maßnahmen für den Schutz von unseren Mitarbeiterinnen immer weiter verlieren."
Nach dem Angriff auf die WCK-Mitarbeiter sprach der israelische Generalstabschef, Herzi Halevi, von einem "schweren Fehler" des Militärs und drückte sein Bedauern dafür aus. "Wir akzeptieren das Narrativ der bedauerlichen Zwischenfälle nicht", betonte Lockyear. "Die weit verbreiteten und wahllosen kriminellen Angriffe auf Zivilisten, medizinisches Personal und Gesundheitseinrichtungen müssen sofort aufhören."
"Resilienz dieser Kinder ist bemerkenswert"
Besonders dramatisch, so berichten die Hilfsorganisationen weiter, sei die Situation für die Kinder im Gazastreifen. Laut Daten der Vereinten Nationen und der Hamas-kontrollierten Gesundheitsbehörde in Gaza sind mehr als 13.800 Kinder ums Leben gekommen und über 12.000 weitere verletzt worden.
"Auch wenn die Zahlen schwer überprüfbar sind: Jedes Kind, das in diesem Krieg getötet, verstümmelt oder verletzt wird, ist ein Kind zu viel", sagte der Geschäftsführer von Save the Children Deutschland, Florian Westphal. Alarmierend seien auch steigende Fälle von Unterernährung. Doch die mentale Gesundheit und Resilienz dieser Kinder sei bemerkenswert, sagte die Save-the-Children-Teamleiterin.