Atomstreit mit dem Iran Letzte Ausfahrt: Schlichtung
Im Atomstreit mit dem Iran setzen die Europäer auf eine Schlichtung: Das Abkommen soll gerettet werden. Ziel bleibe, dass Teheran keine Atomwaffen entwickele. Irans Außenminister reagierte empört.
Für ihre Entscheidung, den im Atomabkommen mit dem Iran enthaltenen Streitschlichtungsmechanismus auszulösen, bekommen Deutschland, Frankreich und Großbritannien breite Unterstützung westlicher Staaten. Die drei EU-Partner des Abkommens betonten, die Schlichtung solle den Vertrag retten. Sie wollten eine diplomatische Lösung. Eine Wiedereinsetzung der Sanktionen gegen den Iran sei nicht das Ziel.
US-Regierung begrüßt Initiative der Europäer
Die US-Regierung begrüße die Entscheidung der europäischen Partner, ein Schlichtungsverfahren einzuleiten, erklärte das Außenministerium in Washington. Zusätzlicher diplomatischer und wirtschaftlicher Druck auf Teheran sei gerechtfertigt.
Für Verwunderung sorgte die Reaktion des britischen Premierministers Boris Johnson. Offiziell trägt Großbritannien die gemeinsame Erklärung mit Frankreich und Deutschland mit. Außenminister Raab betonte in einer gemeinsamen Erklärung mit seinen deutschen und französischen Ressortkollegen, es gehe um die Rettung des Atomvertrags.
Johnson offen für neues Abkommen
Johnson zeigte sich jedoch offen für ein neues Abkommen nach den Vorstellungen von US-Präsident Trump. Dieser will den Iran mit neuen Wirtschaftssanktionen und einer Politik des maximalen Drucks zu einem Abkommen zwingen, das weit über die bisherige Vereinbarung hinausgeht.
"Wenn wir es abschaffen, dann lasst es uns ersetzen, und lasst es uns ersetzen mit dem Trump-Deal", sagte Johnson der BBC. "Das wäre ein guter Weg nach vorne." Trump stimmte dem Premier prompt zu.
Die iranische Führung demonstrierte zunächst Gelassenheit. Die Maßnahmen seien passiv und im Grunde nichts Neues, erklärte der Sprecher des Außenministeriums in Teheran, Abbas Mussawi. Sein Land begrüße aber jede Maßnahme des guten Willens, um das Abkommen zu retten. Später fand Außenminister Sarif dann aber doch deutliche Worte.
Iran: Europäer sollten ihren Verpflichtungen nachkommen
Bei einem Treffen mit dem Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Niels Annen, habe Sarif in Neu-Dehli die Aktivierung der Streitschlichtung als einen strategischen Fehler bezeichnet, meldete die staatliche iranische Nachrichtenagentur IRNA. Die Europäer sollten lieber ihren Verpflichtungen aus dem Atomabkommen nachkommen, statt Strafaktionen zu unternehmen.
Annen hielt sich nach Angaben des Auswärtigen Amtes zur Teilnahme am Raisina-Dialog in der indischen Hauptstadt auf, einer Konferenz zu sicherheitspolitischen Fragen. Zu dem Treffen mit Sarif machte das Ministerium keine Angaben.
Koordinator der vertraglich vereinbarten Schlichtungskommission ist der EU-Außenbeauftragte Joseph Borrell. Nun seien intensive Anstrengungen aller nötig, um das Abkommen zu erhalten, sagte der Spanier in Brüssel. Auch Borrell unterstrich ausdrücklich das Ziel der europäischen Staaten, den Vertrag zu retten und erklärte: Als Koordinator erwarte er von allen Teilnehmern, das Verfahren in diesem Geiste anzugehen.
Am Ende könnten wieder Sanktionen verhängt werden
Der Streitschlichtungsprozess kann, muss aber nicht in eine Wiedereinsetzung der Strafmaßnahmen gegen den Iran münden. Entscheidend ist der politische Wille der Vertragspartner. Für eine Lösung des Streits sind zunächst 15 Tage vorgesehen. Die Frist kann aber mehrfach verlängert werden, sodass das Verfahren wohl einige Monate dauern wird.
Atomabkommen seit 2018 auf der Kippe
Die USA hatten das mühsam ausgehandelte Nuklearabkommen zur Verhinderung einer iranischen Atombombe 2018 einseitig aufgekündigt und massive Wirtschaftssanktionen verhängt.
Als Reaktion auf den neuen Kurs der USA hält der Iran seit Juli immer mehr Verpflichtungen aus dem Abkommen nicht mehr ein. Nach der gezielten Tötung des iranischen Top-Generals Kassem Soleimani durch die USA hatte Teheran angekündigt, sich nun auch über die letzten Beschränkungen der Vereinbarung hinwegzusetzen. Allerdings hielt sich Teheran mehrere Hintertüren offen. So bleibt zum Beispiel unklar, bis zu welchem Grad der Iran künftig Uran anreichern will.