Bessere Verteilung von Flüchtlingen EU-Migrationskommissar drängt auf Asylreform
Die Flüchtlingskrise wird noch viele Jahre andauern, glaubt der EU-Migrationskommissar Avramopoulos. Für ihn ist klar: Das neue europäische Asylsystem muss kommen - zur Not auch gegen den Willen von Ländern wie Polen oder Ungarn.
Es sind vergleichsweise wenige Flüchtlinge, die derzeit nach Europa kommen. Doch das muss nicht so bleiben - es könnte neue Migrationswellen geben. Dimitris Avramopoulos, in der EU-Kommission für Migration zuständig, fordert im Gespräch mit dem ARD-Studio Brüssel: Es brauche dringend ein europäisches Asylsystem, um künftige Herausforderungen in den Griff zu bekommen.
Weltweit gebe es rund 75 Millionen Menschen, die vor Krieg, Konflikten und Verfolgung fliehen, sagt er. Hinzu kämen etwa 250 Millionen Migranten, die aus anderen Gründen ihre Heimat verlassen, wie Armut und Perspektivlosigkeit. "Diese beispiellose Situation wird noch viele Jahre fortbestehen", prognostiziert Avramopoulos. "Deshalb muss Europa besser vorbereitet sein."
Vor allem osteuropäische Staaten wehren sich
Die Reform des europäischen Asylsystems wurde bereits mehrfach verschoben, weil sich die EU-Länder nicht einigen konnten. Nun soll es bis Ende Juni klappen. Bislang basiert das System auf den sogenannten Dublin-Regeln. Demnach müssen Flüchtlinge ihren Asylantrag in dem Land stellen, in dem sie zuerst europäischen Boden betreten haben. Das betraf bislang vor allem Italien und Griechenland.
In Zukunft sollen Flüchtlinge bei steigenden Ankunftszahlen automatisch in andere EU-Länder verteilt werden. Doch dagegen wehren sich vor allem osteuropäische Staaten. Es wäre wichtig, dass alle EU-Länder mit einer Stimme sprechen, sagt Avramopoulos. Wenn das aber nicht der Fall sei, könne man mit qualifizierter Mehrheit abstimmen.
Das könnte bedeuten, dass die Mehrheit der EU-Länder die Minderheit überstimmt. Der Graben zwischen Ost- und Westeuropa in der Flüchtlingspolitik bliebe damit bestehen. Die Haltung der polnischen Regierung und anderer osteuropäischer Regierungen hätten ihn in der Vergangenheit nicht erfreut, erzählt der griechische Migrationskommissar. "Wir haben schwierige Momente durchlebt. Aber ich habe den Eindruck, dass sich die Situation ganz langsam etwas verbessert."
Bis Sommer 2018 soll das neue System kommen
Ungemach droht auch aus Österreich. Der neue österreichische Kanzler Sebastian Kurz hält die Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU mithilfe von Quoten für gescheitert. Und Bulgarien, das derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, ist ebenfalls kein Vorzeigemodell für die Flüchtlingsaufnahme. In den vergangenen gut zwei Jahren hat das südosteuropäische Land gerade einmal 60 Flüchtlinge aus Griechenland und Italien bei sich aufgenommen. Ist die bulgarische Ratspräsidentschaft ein Problemfall?
Dimitris Avramopoulos sieht das nicht so. "Bulgarien steht selbst unter Druck", sagt er. Hunderte von Flüchtlingen kämen über die bulgarisch-türkische Grenze in das Land. Deshalb gehe es hier nicht nur um die Umverteilung von Flüchtlingen nach Bulgarien, sondern auch um die Drucksituation im Land selbst.
Bis Sommer 2018 soll es kommen: das neue europäische Asylsystem. Migrationskommissar Avramopoulos glaubt daran, dass es diesmal gelingen kann. Trotz aller Schwierigkeiten und trotz aller Widerstände.