Debakel für griechische Regierungsparteien Keine Mehrheit für Niemand
Ratlosigkeit bei den gedemütigten griechischen Großkoalitionären: Sie wollen ihr Bündnis und ihre Sparpolitik fortsetzen - aber sie haben im neuen Parlament keine Mehrheit mehr. Alle anderen fünf Fraktionen sind gegen die Sparmaßnahmen. Und so könnte das Patt sehr schnell zu Neuwahlen führen.
Von Andreas Hain, ARD-Hörfunkstudio Istanbul, zzt. Athen
Was tun mit diesem Wahlergebnis? Diese Frage dürfte sich wohl Antonis Samaras stellen, seit klar ist: Er wird eine regierungsfähige Mehrheit und dazu willige Koalitionspartner finden müssen.
Seine konservative Nea Dimokratia wurde von den Wählern abgestraft und kommt auf nur noch knapp 19 Prozent. Das reicht, um stärkste Kraft zu sein - zu mehr aber auch nicht. Im Angesicht dieser Zahlen sagte Samaras: "Wir übernehmen die Verantwortung, eine neue Regierung zu bilden - und zwar mit zwei Zielen: Griechenland bleibt Euroland. Und: Wir ziehen die Sparmaßnahmen so durch, dass es Wachstum in Griechenland ermöglicht."
Bei sieben Parteien, die es ins griechische Parlament schaffen würden, ist Samaras umstellt von Gegnern der Sparmaßnahmen. Nur eine einzige Partei würde seine Ziele mittragen: die sozialdemokratische PASOK. Notgedrungen haben beide Parteien in der Übergangsregierung die Rettung Griechenlands auf den Weg gebracht, mit Milliarden aus dem Rettungsschirm und mit einem knallharten Sparprogramm.
Die Sozialisten haben zwei von drei Wählern verloren
Aber die PASOK erlitt bei der Wahl einen noch größeren Absturz: auf 13 Prozent. Zwei Drittel ihrer bisherigen Wähler sind abgewandert. Ein Schlag für Parteichef Evangelos Venizelos, der trotz der Feindschaft zu den Konservativen eine Koalition eingehen würde. "Wir müssen jetzt zusehen, dass wir eine Regierung der nationalen Einheit hinkriegen", sagte er. Das müsse vor allem ehrlich, ernsthaft und schnell passieren. "Wir werden alles tun, dass es dazu kommt. Wir brauchen einen Rahmen für politische Stabilität, die sich ganz klar zum Euro und Europa bekennt", betonte der Ex-Finanzminister.
Diesen Rahmen zu finden wird schwer. Rechnerisch reicht es für eine große Koalition nicht aus. Es fehlen zwei Sitze für eine Mehrheit.
Massiver Zulauf für Gegner der Sparpolitik
Die Griechen haben sich mehrheitlich für Parteien entschieden, die gegen die Sparmaßnahmen sind und auch die Schulden Griechenlands auf keinen Fall zurückzahlen wollen. Sogar die Neonazis haben sieben Prozent der Stimmen bekommen.
Eine griechische Zeitung nennt es die "Wahl des Zorns" - und von diesem Zorn hat am meisten das radikal-linke Bündnis Syriza profitiert. Es wird zweitstärkste Partei. Ihr Anführer Alexis Tsipras, ein guter Freund der Linkspartei in Deutschland, feiert sich. "Die Menschen in Europa wollen sich nicht mit den barbarischen Sparmaßnahmen abfinden und eine unsichere Zukunft riskieren. Die europäische Führung, allen voran Frau Merkel, muss verstehen, dass dieses Spardiktat eine heftige Niederlage erlitten hat", meint er.
Sind Neuwahlen wahrscheinlich?
Griechenland scheint nach der Wahl in einer Sackgasse zu stecken. Es braucht schnell eine handlungsfähige Regierung - das erwarten die internationalen Geldgeber. Der Konservative Samaras wird versuchen, eine der kleinen Parteien zu überreden, den Sparkurs mitzumachen. Aber jede dieser kleinen Parteien hat bereits klar gemacht, dass sie sich darauf nicht einlassen wollen.
Drei Tage hat Samaras Zeit für Sondierungsgespräche. Danach wäre die zweitstärkste Partei am Zug, die radikal-linke Syriza. Und noch einmal drei Tage später käme die drittstärkste Kraft an die Reihe, die PASOK. Wenn die Koalitionsverhandlungen bis dahin nicht erfolgreich sind, wird es wohl Neuwahlen in Griechenland geben - und zwar schon im Juni.