Bericht verzeichnet Anstieg 50 Millionen Menschen in moderner Sklaverei
Dem Global Slavery Index zufolge werden weltweit deutlich mehr Menschen ausgebeutet als noch vor fünf Jahren. Verantwortlich seien auch Industrienationen: Sie profitierten über Lieferketten von Zwangsarbeit.
Globale Krisen haben laut dem jüngsten Global Slavery Index der Menschenrechtsorganisation Walk Free das Problem moderner Sklaverei verschärft. "50 Millionen Menschen weltweit leben in moderner Sklaverei, das sind zehn Millionen mehr als fünf Jahre zuvor", hieß es. Verantwortlich für diese Entwicklung sei vor allem, dass Menschen vertrieben und zu "ungeplanter Migration" gezwungen würden.
Am weitesten verbreitet ist die moderne Sklaverei dem Bericht zufolge in Nordkorea - gefolgt von Eritrea, Mauretanien, Saudi-Arabien, der Türkei, Tadschikistan, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Russland, Afghanistan und Kuwait. Walk Free hat dafür einen Index erstellt, der sich auf 1000 Einwohnerinnen und Einwohner bezieht. Für Nordkorea fällt dieser mit 104,6 am höchsten aus. Die Zahlen beziehen sich auf das Jahr 2021.
Für den aktuellen Bericht definierte Walk Free verschiedene ausbeuterische und missbräuchliche Praktiken wie Zwangsarbeit, Kinderarbeit oder Zwangsehen als Formen moderner Sklaverei. Der Report beruht den Angaben zufolge auf Daten, Umfragen und Risikoanalysen aus verschiedenen Ländern. Der ermittelte Indexwert entspricht einem Schätzwert für die Prävalenz der modernen Sklaverei pro 1000 Einwohner des jeweiligen Landes.
Besonders gefährdet, ausgebeutet zu werden, sind dem Bericht zufolge Menschen, die wegen Klimawandel, Konflikten oder intensiver Wetterereignisse ihre Heimat verlassen müssen. Auch eine weltweite Einschränkung der Frauenrechte, sowie wirtschaftliche und soziale Auswirkungen der Corona-Pandemie verschärfen demnach die Situation.
USA als größter Importeur von "Risikoprodukten"
Auch für Industrie- und Schwellenländer, darunter die USA oder China, werden Probleme benannt. Die G20 müssten sich über ihre Lieferketten indirekt die Hälfte aller Opfer moderner Sklaverei zurechnen lassen, so die Menschenrechtsorganisation. Problematisiert wird in dem Bericht der Import von Gütern, die in Verhältnissen hergestellt werden, die auf Zwang oder Abhängigkeit basieren. Sogenannte Risikoprodukte werden demnach jedes Jahr im Wert von 468 Milliarden US-Dollar (umgerechnet etwa 434 Milliarden Euro) in die G20-Staaten importiert.
Der Gruppe der führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) gehören 19 Staaten sowie die EU an. Die Länder sind: Argentinien, Australien, Brasilien, China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Kanada, Mexiko, Russland, Saudi-Arabien, Südafrika, Südkorea, Türkei und die USA.
"Die Vereinigten Staaten waren mit Abstand der größte Importeur von Risikoprodukten", teilte Walk Free mit. Unter den identifizierten Waren, die häufig im Zusammenhang mit Zwangsarbeit produziert werden, sind den Aktivisten zufolge vor allem Elektronikartikel und Bekleidung, aber auch Palmöl und Solarzellen. Allein in Indien werden dem Bericht zufolge elf Millionen Menschen ausgebeutet; von fünf Millionen wird demnach in China ausgegangen, gefolgt von Russland (1,8 Millionen), der Türkei (1,3 Millionen) und den USA (1,1 Millionen).
"Die moderne Sklaverei durchdringt jeden Aspekt unserer Gesellschaft. Sie ist in unsere Kleidung eingewoben, beleuchtet unsere Elektronik und würzt unser Essen", sagte die Gründungsdirektorin von Walk Free, Grace Forrest einer Mitteilung zufolge.
Lob für Lieferkettengesetze
Die Menschenrechtsorganisation forderte ein entschiedeneres regulatorisches Eingreifen in Lieferketten, um Ausbeutung zu verhindern. "In den letzten Jahren haben Australien, Kanada, Deutschland und Norwegen Gesetze erlassen, um Unternehmen und Regierungen für die Ausbeutung in globalen Lieferketten zur Verantwortung zu ziehen." Dies gehe in die richtige Richtung, sei aber bei weitem nicht genug.
Auch appellierte die Organisation an Regierungen, moderne Sklaverei etwa bei der Lieferung von Hilfsgütern oder beim Aufbau einer grünen Wirtschaft stärker zu bekämpfen. Bei der Zusammenarbeit mit repressiven Regimen müsse darauf geachtet werden, dass Handel, Geschäfte und Investitionen nicht zu staatlich verordneter Zwangsarbeit beitragen oder davon profitieren. Zudem müssten Kinder, insbesondere Mädchen, besser durch das Ermöglichen von Schulbildung und das Verhindern von Zwangsehen geschützt werden.
Die Organisation Walk Free mit Sitz in Australien greift ihrer Webseite zufolge für ihren Bericht auf die Expertise von Statistikern, Kriminologen, Rechtsanwälten und Fachleuten für Entwicklungshilfe zurück.