Bericht von Amnesty International Mehr als 880 Hinrichtungen weltweit
So viele Exekutionen wie zuletzt 2017 zählt Amnesty International für das vergangene Jahr - die meisten davon im Iran, Saudi-Arabien und Ägypten. Inoffiziell aber führe China die Liste an.
Die Zahl der weltweiten Hinrichtungen hat im vergangenen Jahr den höchsten Wert seit fünf Jahren erreicht. Das geht aus dem aktuellen Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International hervor. Für 2022 wurden demnach mindestens 883 Hinrichtungen in 20 Ländern dokumentiert. Das sei die höchste Anzahl gerichtlicher Hinrichtungen seit 2017, heißt es in dem Bericht zur weltweiten Anwendung der Todesstrafe.
Der Anstieg ist demnach vor allem auf Hinrichtungen in der Region Naher Osten und in Nordafrika zurückzuführen. 90 Prozent der weltweit registrierten Exekutionen fanden in nur drei Ländern statt - dem Iran, Saudi-Arabien und Ägypten.
Mehr als 570 dokumentierte Fälle im Iran
Der Bericht dokumentiert allein für den Iran mindestens 576 Exekutionen. "Die iranische Führung ist für 65 Prozent der weltweit bekannt gewordenen Hinrichtungen im vergangenen Jahr verantwortlich", sagte die stellvertretende Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, Julia Duchrow. Im Zuge der Niederschlagung der Proteste nach dem Tod der jungen Kurdin Mahsa Amini seien mindestens vier Menschen hingerichtet worden, zahlreichen weiteren drohe die Todesstrafe.
Zu ihnen zählt der deutsche Staatsbürger Jamshid Sharmahd, dessen Todesurteil am 26. April vom Obersten Gerichtshof des Landes letztinstanzlich bestätigt wurde. Die Vereinten Nationen gingen davon aus, dass in diesem Jahr bereits insgesamt mindestens 209 Menschen im Iran hingerichtet wurden, so Duchrow.
Tausende inoffizielle Exekutionen in China vermutet
In Saudi-Arabien verdreifachte sich die Zahl von 65 (2021) auf 196 (2022). Dort seien an einem einzigen Tag 81 Menschen exekutiert worden. In Ägypten wurden den Angaben zufolge 24 Menschen hingerichtet. Zudem geht Amnesty International von Tausenden weiteren Hinrichtungen aus, die nicht registriert wurden.
Die höchste Anzahl an Exekutionen findet laut Amnesty in China statt - sie werden von den chinesischen Behörden allerdings nicht offiziell bestätigt. Auch, wenn die genaue Zahl nicht bekannt ist, geht Amnesty von tausenden Hinrichtungen im Jahr aus. Damit liegt China weit vor dem Iran, Saudi-Arabien, Ägypten und den USA. Auch Hinrichtungen in Nordkorea und Vietnam werden laut der Menschenrechtsorganisation nicht öffentlich gemacht.
In den USA stieg die Zahl der Hinrichtungen laut Amnesty International von elf auf 18. In Afghanistan, Kuwait, Myanmar, im Gazastreifen und in Singapur wurden nach Unterbrechungen wieder Todesurteile vollstreckt.
Mehr als verdoppelt habe sich gegenüber dem Vorjahr zudem die Zahl der Hinrichtungen wegen Drogendelikten. Den Angaben zufolge wurden allein im Iran aus diesem Grund 255 Menschen exekutiert, in Saudi-Arabien 57 und Singapur 11.
Länder mit Todesstrafe zunehmend "isolierte Minderheit"
Andererseits geben dem Bericht zufolge auch zunehmend Länder die Todesstrafe auf. So haben sechs Staaten diese im vergangenen Jahr vollständig oder zum Teil abgeschafft: Kasachstan, Papua-Neuguinea, Sierra Leone sowie die Zentralafrikanische Republik für alle Straftaten, Äquatorialguinea und Sambia nur für gewöhnliche Verbrechen. Liberia und Ghana leiteten rechtliche Schritte zur Abschaffung der Todesstrafe ein.
"Die Welt hat sich zweifellos auch 2022 weiter von der Todesstrafe als Strafmittel entfernt", sagte die deutsche Amnesty-Generalsekretärin. "Die Länder, die weltweit für die meisten Hinrichtungen verantwortlich sind - China, Iran, Saudi-Arabien, Nordkorea und Vietnam - gehören mit ihrem brutalen Vorgehen jetzt eindeutig zu einer isolierten Minderheit."