Brexit-Streit zu Gibraltar Der Stein des Anstoßes
Sie stand bisher wenig im Licht der Öffentlichkeit - aber an der Gibraltar-Frage könnte die Brexit-Einigung scheitern: Die spanische Regierung droht mit einem Veto. Was steckt dahinter?
Warum ist Gibraltar eigentlich britisch?
Entscheidungen aus den Jahre 1714 und 1713 machen Spanien gerade viel Ärger. 1714 gewannen Vorfahren des heutigen spanischen Königs die entscheidende Schlacht um Katalonien. Ruhe wollte und will sich in Katalonien nicht einstellen. Im Jahr 1713 wurde der englischen Krone im Frieden von Utrecht Gibraltar zugesprochen.
Der Fels ist ein strategisch wichtiger Ort an der Meerenge von Gibraltar. Auch nach dem Friedensschluss versuchte sich Spanien immer wieder an Rückeroberungen. Vergeblich. Einzigartig in Europa: Auf dem Felsen gibt es frei lebende Affen. Einer Legende nach verliert die britische Krone Gibraltar, wenn die Affen verschwinden. Während des Zweiten Weltkriegs ließ der britische Premierminister Winston Churchill Affen in Nordafrika fangen und nach Gibraltar bringen, um die Vorherrschaft abzusichern.
Dem Affentheater folgte eine Abstimmung: 1967 entschieden sich 99 Prozent der Einwohner Gibraltars gegen einen Anschluss ihres 6,5 Quadratkilometer großen Territoriums an Spanien. Die Stimmung hat sich seitdem nicht wesentlich geändert. Jedoch: Die Menschen dort sind glühende Europäer. 96 Prozent stimmten gegen den Brexit. Nun ist der 426 Meter hohe Fels im äußersten Süden Europas Stein des Anstoßes bei den finalen Brexit-Verhandlungen.
Spanien erhebt Ansprüche auf Gibraltar, das seit 300 Jahren britisches Überseegebiet ist.
Warum ist ein Sonderabkommen für Spanien so wichtig?
Zum einen hat Spanien seit 1713 nie aufgegeben, Ansprüche zu erheben, Gibraltar müsse wieder zu Spanien gehören. Der spanische Regierungschef Pedro Sánchez sagt: "Gibraltar gehört nicht zu Großbritannien, auch wenn es von Großbritannien repräsentiert wird."
Viel konkreter sind aber wirtschaftliche Interessen. Im Süden Spaniens sind viele Menschen arbeitslos. Anders ist die Situation in Gibraltar. Mehr als zehn Millionen Touristen kamen 2017, das Glücksspiel floriert. Rund 10.000 Spanier arbeiten in Gibraltar.
Wie unter einem Brennglas zeigen sich an der Grenze zwischen Spanien und Gibraltar nun Probleme des Brexits: Können Ausländer künftig noch problemlos im Vereinigten Königreich arbeiten? Wie offen sind die Grenzen für den Waren- und Personenverkehr?
Hinzu kommen weitere Probleme: Da es in Gibraltar keine Mehrwertsteuer gibt, boomt beispielsweise der Zigarettenschmuggel. Es gibt gemeinsame Herausforderungen beim Umweltschutz. Spanien möchte diese Fragen für Gibraltar allein mit Großbritannien besprechen und sich nicht auf Brüssel verlassen.
Die Lage ist schwierig: Schließlich bekommt Spanien als einziges EU-Land auf dem Kontinent plötzliche eine EU-Außengrenze mit Großbritannien.Die hohe Arbeitslosigkeit im Süden Spaniens zwingt den spanischen Regierungschef, auf eine Lösung zu drängen, die Jobs seiner Landsleute sichert.
Was den Druck erhöht: Am 2. Dezember finden in Andalusien Regionalwahlen statt. Die 10.000 Spanier, die um ihre Jobs in Gibraltar zittern, leben in Andalusien.
Für Spaniens Regierungschef Sánchez ist die Gibraltar-Frage aus mehreren Gründen wichtig.
Wie geht es jetzt im Streit weiter?
Wie so oft bei einem Streit auf offener EU-Bühne: Eigentlich geht es um Innenpolitik. Der sozialistische spanische Regierungschef Sánchez führt in Madrid eine Minderheitsregierung an. Ihm gelang es zuletzt nicht, einen Haushalt durchs Parlament zu bekommen. Er braucht dringend einen Erfolg.
Sich im Streit mit der EU und Großbritannien durchzusetzen, würde ihm gut tun. Bei der EU wiederum sieht man ein, dass spanische Interessen in der Gibraltar-Frage spezieller sind als die anderer Mitglieder. Man möchte Spanien deshalb entgegenkommen.
Hinzu kommt: Brüssel hat derzeit genug Sorgen mit europafeindlichen Mitgliedsstaaten. Es wäre nicht klug, einer europafreundlichen Nation wie Spanien vor den Kopf zu stoßen. Die EU wird also versuchen, einige Sätze in die Brexit-Papiere zu verhandeln, die Gibraltar zu einem Sonderfall erklären, den Spanien und Großbritannien bilateral klären.