Forschungen zum Grönlandhai Ein schwimmender Methusalem

Stand: 12.08.2016 16:16 Uhr

Der Grönlandhai lässt sich Zeit - mit dem Wachsen, mit der Pubertät. Kann er auch. Denn neuesten Forschungen zufolge werden die Tiere wahrscheinlich 400 Jahre und älter. Damit haben die Haie unter den Wirbeltieren die längste Lebenserwartung.

Dass Grönlandhaie alt werden, wusste das internationale Forscherteam um Julius Nielsen von der Universität Kopenhagen - sehr alt sogar. Um ehrlich zu sein: Offenbar sogar zu alt für die üblichen Methoden zur Bestimmung des Alters von Lebewesen, sagt Nielsen im Interview mit der britischen BBC: "Deshalb war die Lebenserwartung der Grönlandhaie bisher völlig unbekannt, obwohl schon lange spekuliert worden ist, dass sie sehr alt werden. Wir haben jetzt gezeigt, dass die Lebenserwartung tatsächlich extrem hoch ist."

Die Tiere lassen sich nach Erkenntnissen der Forscher viel Zeit mit dem Wachsen: Sie legen pro Jahr nicht mehr als einen Zentimeter zu und das bei einer maximal zu erreichenden Körperlänge von am Ende deutlich über fünf Metern.

Schätzungen beruhen auf tiefgreifenden Augenblicken

Außerdem haben die Haie erst im stolzen Alter von 150 Jahren die Pubertät hinter sich. Sie sind also erst dann geschlechtsreif, wenn ein Mensch schon längst wieder Geschichte ist. Faszinierend - fanden und finden die Forscher, die dem anzunehmenden Alter des Grönlandhais buchstäblich durch einen tiefen Blick in die Augen von insgesamt 28 untersuchten weiblichen Tieren auf die Spur gekommen sind.

Denn das Auge des Grönlandhais halte etwas Besonderes parat, berichtet Nielsen: "Da gibt es ein Protein in der Linse, das sich nicht verändert. Wenn man alle späteren Schichten dieser Linse abträgt, dann stößt man auf Gewebe, das kurz nach der Geburt des Tieres gebildet worden ist. So können wir das Alter des Haies schätzen."

Klingt kompliziert, ist es auch - und dazu nicht einmal besonders präzise: Aber erstens gibt es derzeit keine bessere Methode für den Methusalem unter den Meeresbewohnern und zweitens genügen die Schätzungen der Forscher auch so für eine wissenschaftliche Sensation. "Wir können mit 95-prozentiger Sicherheit sagen, dass der älteste untersuchte Hai zwischen 272 und 512 Jahre alt war", sagt Nielsen.

Selbst mit 272 Jahren wäre der Grönlandhai laut Nielsen damit  das langlebigste Wirbeltier der Welt. Wahrscheinlich werden diese Haie aber wesentlich älter, man geht von 400 oder noch deutlich mehr Jahren aus.

Fischfang bedroht schwimmende Rekordhalter

Wenn sie nicht im Nordatlantik oder im Nordpolarmeer in die Grundschleppnetze von Fischern geraten, was leider sehr häufig passiert. Der Grönlandhai gilt aus diesem Grund als "potenziell gefährdet". Darum plädiert Nielsen: Gerade mit Blick auf die jetzt feststehende ganz besondere Rolle in der Natur sollte der Grönlandhai auf jeden Fall besser geschützt werden als bisher.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 12. August 2016 um 16:10 Uhr