Finanzminister beraten über Flüchtlingskrise EU ringt um Milliardenhilfe für die Türkei
Noch immer ist nicht geklärt, wie die EU die der Türkei zugesagten drei Milliarden Euro für die Flüchtlingshilfe aufbringen will. Finanzminister Schäuble drängt auf eine Lösung. Zudem fordert er weitere Hilfsgelder für die EU-Nachbarn.
Von Kai Küstner, ARD-Studio Brüssel
Die "Entdeckung der Langsamkeit" kann manchmal ganz schön schmerzhaft sein: 160.000 Flüchtlinge will die EU seit Monaten auf die Einzelstaaten verteilen - diesem Ziel hinkt sie hoffnungslos hinterher. Jüngstes Beispiel der schleppenden Umsetzung eines EU-Beschlusses: Drei Milliarden Euro haben die Europäer der Türkei zugesagt, damit die im Gegenzug ihre Grenzen wirksamer abdichtet. Noch aber hat die EU das Geld nicht beisammen.
Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble forderte jetzt in Brüssel, es müsse noch viel mehr Geld für die EU-Nachbarstaaten in die Hand genommen werden zur Bewältigung der Flüchtlingskrise: "Das ist die europäische Aufgabe Nummer Eins. Wenn wir sie europäisch nicht bewältigen, dann würden wir schwere Beschädigungen der europäischen Einigung für eine Reihe von Mitgliedsländern riskieren."
"Wir verteidigen Europa"
Finanzminister Schäuble drängt auf Finanzhilfen für die EU-Nachbarn.
Schäuble ließ im Ungefähren, wie genau der Schaden aussehen könnte, fügte aber in mindestens ebenso warnendem Ton noch hinzu: "Viele glauben, dass es ein deutsches Problem ist. Aber wenn Deutschland das macht, was alle von uns erwarten, dann werden Sie sehen, dass es kein deutsches, sondern ein europäisches Problem ist. Wir verteidigen Europa."
Der Bundesfinanzminister führte nicht näher aus, was genau er meinte, als er sagte: "Wenn Deutschland das macht, was alle von uns erwarten". Es darf also darüber spekuliert werden, ob Schäuble auf eine mögliche Schließung der deutschen Grenze anspielte. Was dann natürlich erhebliche Folgen für die Länder hätte, die auf der Flüchtlingsroute in Richtung Bundesrepublik liegen.
Drei Milliarden werden laut Schäuble nicht reichen
Warum die EU es aber noch nicht geschafft hat, die drei Milliarden Euro für die Türkei aufzubringen, damit die eine bessere Versorgung von Flüchtlingen vor Ort gewährleistet, darauf hat Schäuble keine Antwort: "Ich weiß es, ehrlich gesagt, auch nicht. Ich glaube, dass die drei Milliarden eigentlich nicht das Problem sind", sagt er und fügt hinzu: "Über die drei Milliarden Euro hinaus brauchen wir mehr Mittel für die Stabilisierung der Region." Europa müsse mehr leisten.
Auf deutsches Drängen hin beraten die EU-Finanzminister das Thema Türkei-Milliarden nun beim Frühstück - vor ihrer eigentlichen Sitzung. EU-Offiziellen zufolge steht man zwar kurz vor einer Einigung. Italien aber sperre sich bislang noch, so heißt es. Die Kommission hatte vorgeschlagen, dass eine Milliarde aus dem EU-Haushalt kommen könne, die anderen beiden - je nach Wirtschaftsleistung - aber von den Einzelstaaten bereitgestellt werden müssten.
Ringen um gerechtere Verteilung der Flüchtlinge
Eine europäische Antwort auf die Flüchtlingsfrage mahnte abermals auch der Präsident des EU-Parlaments an. Die Flüchtlingskrise wäre keine Krise, sagte Martin Schulz, wenn sich alle Europäer an der Aufnahme von Schutzsuchenden beteiligten: "In der Bundesrepublik hat die Zahl eine Million eine große Rolle gespielt. Wenn wir eine Million Menschen unter 507 Millionen Einwohnern Europas verteilen würden, dann wäre es keine Krise."
Doch derzeit gibt es nicht das geringste Anzeichen, dass die EU-Länder sich auf einen festen und fairen Verteilungsschlüssel für Flüchtlinge einigen werden. Ob Europa das Fehlen einer europäischen Lösung auf Dauer aushält, ist die große Frage. Viele werten es als einen Akt der Verzweiflung, dass die Bundesregierung in letzter Zeit versuchte, eine Art "Koalition der Willigen" zu bilden - eine Gruppe von Ländern, die gewillt ist, in der Flüchtlingsfrage enger zusammenzuarbeiten.