Großbritannien Warum Farage so erfolgreich ist
Die neue Brexit-Partei von Nigel Farage liegt in Umfragen vor den Tories und Labour. Die britische Wahlteilnahme stärkt also vor allem das Lager der Populisten im neuen EU-Parlament. Wie gelingt es Farage, so viele Menschen zu überzeugen?
Nigel Farage ist ein begnadeter Populist, und er macht das, was er macht, beängstigend gut. Er weiß, welche Techniken funktionieren. Manchmal reicht es schon, dem Publikum Namen hinzuwerfen: "Was immer Ihr denken mögt über Donald Tusk, Michel Barnier, Guy Verhofstadt oder Jean-Claude Juncker!"
Mit Stimmung und Stimmungen punktet Farage überaus erfolgreich.
Die Masse geht mit und steigert sich in eine emotionsgeladene Anti-Haltung hinein, die Farage den Boden bereitet. Er benutzt starke Bilder, spricht davon, dass das Land der Löwen von Eseln geführt wird und bringt dann, mit Blick auf Theresa Mays Brexit-Deal, den Kriegsvergleich: "Das ist kein Abkommen, sondern eher eine Kapitulation, die man nur unterschreiben würde, wenn man einen Krieg verloren hat!"
Im nächsten Moment produziert Farage wieder einen Lacher und bringt die Leute zum Johlen. Die Witze mögen billig sein, aber sie erzeugen Stimmung.
Brillianter Rhetoriker
Farage ist rhetorisch sicher und durchsetzungsstark und schafft es auch, Interviews zu dominieren. Gefallen ihm die Fragen nicht, stellt er sich entweder als Opfer dar oder greift an - wie in der BBC-Show von Andrew Marr: "Hier haben wir einen der größten Umbrüche in der Politik, die es je gab, und Sie sind daran gar nicht interessiert! Was ist los mit der BBC?! Was ist los mit der BBC!!"
Andrew Marr wollte Farage mit früheren Äußerungen von ihm konfrontieren. Aber das lässt Farage nicht zu, er will dem Moderator nur erlauben, mit ihm über seine aktuellen Erfolge und Ziele zu sprechen: "Das ist absolut irrsinnig! Ich habe noch nie in meinem Leben ein so lächerliches Interview gesehen wie dieses. Sie sind nicht vorbereitet, über die Lage im Land zu sprechen. Sie wollen die nicht wahrhaben, die BBC will die nicht wahrhaben und die Tories auch nicht! Sie werden alle noch Ihr blaues Wunder erleben!"
Feindbild BBC
Noch am selben Tag erklärt Farage die BBC zum Feind. Und im "Daily Telegraph" legt er zwei Tage später nach: "Unser Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk nimmt gern das Geld und beeinflusst Interviews dann mit seinen Vorurteilen. Warum noch Gebühren zahlen?"
Es ist ein Markenzeichen der Populisten, die sogenannte Elite anzugreifen, zu der nicht nur die etablierten Parteien, sondern auch die Medien gehören. Laut dem Politikwissenschaftler Matthew Goodwin von der Universität in Kent handeln Populisten nach der Prämisse: "Das Volk ist die unverfälschte Gemeinschaft. Die Elite aber ist korrupt und egoistisch und sie manipuliert. Und sie setzt nicht den Willen der Mehrheit um."
Volksnah versucht Farage bei den vielen frustrierten Briten zu punkten.
Anwalt des Volkes
Farage geriert sich dagegen als Anwalt des Volkes. Er spricht viel von Betrug und Verrat, den die "politische Klasse" begangen habe. Eine Klasse, zu der sich Farage selbst offenkundig nicht zählt, obwohl er als langjähriger Berufspolitiker zweifellos dazugehört.
Natürlich spielt es ihm in die Hände, dass viele Briten frustriert sind und die beiden großen Parteien, die Tories und Labour, dramatische Schwächen zeigen. Trotzdem: Was macht Farage so erfolgreich? Da kommen mehrere Dinge zusammen, glaubt Politikwissenschaftler Goodwin von der Kent-Universität: Der politische Instinkt von Farage, seine kommunikativen Fähigkeiten und die Tatsache, dass er sich immer mit viel englischer Symbolik umgibt, und sei es, dass er einen Termin in den Pub verlegt.
Stark in sozialen Medien
Außerdem punktet er laut Goodwin auf zwei weiteren Gebieten: "Die Brexit-Party ist im digitalen Bereich, bei den sozialen Medien, so stark wie wohl keine andere Partei. Und: die Partei ist gut darin, Geld zu sammeln, was wichtig ist in der Politik. Farage hat viele Freunde."
Angesichts dieser Konkurrenz schwanken die Tories zwischen Panik und Verzweiflung, Labour argumentiert immerhin noch inhaltlich und warnt vor dem No-Deal, den Farage befürwortet. Die Partei "Change UK", die von einstigen Labour- und Tory-Abgeordneten neu gegründet wurde, enttarnt den Populisten Farage dagegen mit großer Nüchternheit.
Wie viel Inhalt hat Farage zu bieten? Wenig, meint Rachel Johnson (rechts).
Programmatische Leere
Spitzenkandidatin Rachel Johnson verweist auf die programmatische Leere der Brexit-Partei: "Nigel Farage kann so viel Zustimmung gewinnen mit so wenig Inhalt. Da ist nur der Brexit. Wenn Sie Farage nach politischen Konzepten fragen, er hat keine."
Populisten konsequent nach ihren Konzepten und Strategien fragen - dazu rät auch der Politikwissenschaftler Goodwin. Denn erstens merke man dann, wer gar keine hat und zweitens ließen sich so Widersprüche aufdecken, von denen auch die Wähler Notiz nehmen sollten.