Der US-Kongress in Washington.
FAQ

Konflikt mit dem Iran Wer entscheidet über Krieg und Frieden?

Stand: 09.01.2020 18:22 Uhr

Mit einer Resolution wollen die Demokraten heute Abend die militärischen Vollmachten von US-Präsident Trump in der Irankrise begrenzen. Welche Kompetenzen haben Präsident und Kongress bei militärischen Konflikten?

Im US-Kongress formiert sich nach der Tötung des iranischen Generals Kassem Soleimani der Widerstand gegen den Alleingang von Präsident Donald Trump. Die Demokraten im Repräsentantenhaus wollen am Abend in einer Resolution für eine Begrenzung der Kriegsbefugnisse des Präsidenten stimmen. Auch bei den Republikanern ist Trumps Kurs umstritten.

Was darf der US-Präsident entscheiden?

Die US-Verfassung räumt dem Präsidenten als Oberbefehlshaber der Streitkräfte viel Macht ein. Kriegserklärungen sind dagegen das Vorrecht des Kongresses. Nach dem Zweiten Weltkrieg zogen US-Präsidenten aber wiederholt in kriegerische Konflikte, ohne dass der Kongress eine Kriegserklärung ausgesprochen hätte.

Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 hatte der US-Kongress selbst beschlossen, dem Präsidenten in Konflikten militärisch vielfach freie Hand zu lassen. Das Gesetz mit dem Namen "Genehmigung zum Einsatz militärischer Gewalt" (AUMF) für den sogenannten Krieg gegen den Terrorismus ist bis heute gültig - und wurde zur Grundlage für eine Reihe von Militäreinsätzen im Nahen Osten, in Afghanistan und in anderen Teilen der Welt.

Eine weitere Genehmigung zum Einsatz militärischer Gewalt erhielt der damalige Präsident George W. Bush 2002 für ein Vorgehen gegen den Irak unter dem damaligen Machthaber Saddam Hussein. Es folgte der US-Einmarsch 2003. Die Trump-Regierung nannte diese Genehmigung nun als rechtliche Grundlage für die gezielte Tötung Soleimanis.

Welche Grenzen sind ihm gesetzt?

1973 beschloss der US-Kongress die sogenannte War Powers Resolution. Demnach muss der Präsident vor einem Militäreinsatz den Kongress konsultieren. Spätestens 48 Stunden nach Beginn von Feindseligkeiten muss er Repräsentantenhaus und Senat ausführlich informieren. Ohne Zustimmung des Kongresses muss ein Militäreinsatz nach 60 Tagen beendet werden, eine Frist, die unter bestimmten Bedingungen auf 90 Tage ausgeweitet werden kann.

Faktisch hat die "War Powers Resolution" die Macht des Präsidenten aber kaum eingeschränkt. Über die Jahrzehnte hat das Weiße Haus das Gesetz als verfassungswidrig kritisiert und sich über die Vorgaben hinweggesetzt. 2011 ließ zum Beispiel der damalige Präsident Barack Obama ohne Genehmigung des Kongresses Luftangriffe gegen die Truppen des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi fliegen.

Was genau wollen die Demokraten beschließen?

Um eine neue Gewalteskalation zu verhindern, haben die Demokraten im Repräsentantenhaus eine Resolution eingebracht, die ein Ende der "Feindseligkeiten" gegen den Iran verlangt - es sei denn, der Kongress erkläre dem Land den Krieg. Die Resolution bezieht sich auf die "War Powers Resolution". Ein ähnlicher Entwurf liegt auch dem Senat vor, in dem Trumps Republikaner die Mehrheit haben.

Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nacy Pelosi.

Die demokratische Mehrheitsführerin im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, bezeichnete die Tötung Soleimanis als "provokativ und unverhältnismäßig". Sie glaube nicht, dass die USA dadurch sicherer geworden seien.

Wie stehen die Chancen für die Resolution?

Neben den Demokraten kritisierten auch einige Republikaner, dass die Trump-Regierung sie weder vorher noch nachher ausreichend über die Beweggründe der Tötung Soleimanis informiert habe. Ein Briefing durch Außenminister Mike Pompeo und Verteidigungsminister Mark Esper am Mittwoch brachte offenbar wenig Erhellendes.

Es sei die "wahrscheinlich schlechteste Unterrichtung gewesen, zumindest zu einem militärischen Thema, die ich in den neun Jahren, die ich im Senat der Vereinigten Staaten diene, erlebt habe", erklärte etwa der republikanische Senator Mike Lee. Er und seine Kollegen seien aufgefordert worden, nicht über die Verhältnismäßigkeit einer Militärintervention gegen den Iran zu debattieren, weil dies nur Teheran in dessen Vorgehen bestärke. "Das ist unamerikanisch, es ist verfassungswidrig, und es ist falsch", kritisierte Lee.

Er kündigte an, sich nun im Senat jenen anzuschließen, die dort Trumps Befugnisse begrenzen wollen. Auch der republikanische Senator Rand Paul, der Trump in militärischen Fragen häufiger kritisiert, bezeichnete die Unterrichtung als unzureichend und wollte sich der Initiative anschließen.

Wären Trump durch die Resolution die Hände gebunden?

Selbst wenn es für den Vorstoß im Senat ebenfalls eine Mehrheit gibt, wäre Trump damit noch nicht zwangsläufig handlungsunfähig. Die aktuelle Resolution betrifft nur den derzeitigen Fall mit dem Iran, und nach Meinung vieler Republikaner hätte sie auch keine Gesetzeskraft, weil dafür keine Unterschrift des Präsidenten vorgesehen ist.

Die Demokraten hingegen argumentieren, wenn der Senat auch zustimme, wäre sie für den Präsidenten bindend. Die US-Justiz hat dazu noch keine klare Entscheidung gefällt.

Ohnehin stehen die Zeichen derzeit auf Deeskalation: Nach der unerwartet moderaten Vergeltungsaktion der Iraner ermahnten schließlich auch einflussreiche Republikaner wie Senator Lindsey Graham Trump zu Zurückhaltung. Der Präsident entschied sich für neue Wirtschaftssanktionen gegen Teheran als Reaktion auf die iranische Attacke und vorerst gegen einen militärischen Gegenschlag. Ein neuer Krieg scheint damit für den Moment abgewendet.

Was verspricht sich Trump von seinem Vorgehen?

Der US-Präsident sah sich im Iran-Konflikt von manchen Republikanern mit der Kritik konfrontiert, zu nachsichtig zu sein. Irans Provokationen in der Straße von Hormus im vergangenen Jahr blieben unbeantwortet, nach dem Abschuss einer US-Drohne sagte Trump im Juni einen Gegenschlag nach eigener Darstellung in letzter Minute ab. Selbst ein großangelegter Angriff auf Ölanlagen in Saudi-Arabien im September blieb militärisch ungesühnt.

Mit Blick auf die Präsidentenwahl im November dürfte er wenig Interesse daran gehabt haben, als schwacher, gar handlungsunfähiger Staatschef wahrgenommen zu werden. Mit seiner Anordnung, Soleimani zu töten, übersprang er diverse Eskalationsstufen und sendete ein besonders hartes Zeichen an die Führung in Teheran.

Trumps Gegner mutmaßen außerdem, Trump habe von den Vorwürfen im Impeachment-Verfahren gegen ihn ablenken wollen. Der Präsident selbst beklagte sich öffentlich, dass die Demokraten das Verfahren angesichts der Lage überhaupt noch vorantreiben.

In Zeiten internationaler Krisen oder militärischer Konflikte hat sich das Land in der Vergangenheit oft um den Präsidenten als obersten Befehlshaber versammelt und ihm plötzlich besondere Unterstützung geschenkt - als Ausdruck nationaler Solidarität. Womöglich hat Trump auf einen solchen Effekt spekuliert.

Wie sieht die US-Bevölkerung den Konflikt?

Mehreren Umfragen zufolge glauben 53 Prozent der Amerikaner, die Tötung des Generals habe gezeigt, das sich die USA "nicht herumschubsen" ließen. Immerhin 47 Prozent unterstützten den Militärschlag.

Insgesamt überwiegt aber eine negative Haltung zu der Operation: Eine Mehrheit der US-Bürger zeigte sich unzufrieden über Trumps Vorgehen gegenüber dem Iran und äußerte die Einschätzungen, die Aktion mache das Land unsicherer und erhöhe die Gefahr für Anschläge auf die USA sowie für einen Krieg mit dem Iran.

Auch Trumps allgemeine Zustimmungsraten in der Bevölkerung haben sich durch die Tötung Soleimanis nicht verbessert, sondern verharren weiter klar unterhalb der 50-Prozent-Marke (bei etwa 42 Prozent). Trump verspricht seinen Anhängern seit jeher, die "endlosen Kriege" der USA zu beenden und amerikanische Truppen heimzuholen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 09. Januar 2020 um 01:00 Uhr.