Kriegsverbrechen in Butscha USA sammeln Beweise für Anklage
Die USA sammeln Beweise für eine internationale Anklage gegen Russland und Präsident Putin wegen Kriegsverbrechen. Zudem wollen Washington und Großbritannien Russland aus dem UN-Menschenrechtsrat ausschließen.
Die USA tragen Beweismaterial zusammen, um Russland und Präsident Wladimir Putin wegen Kriegsverbrechen vor den Internationalen Strafgerichtshof oder ein anderes Gericht zu bringen. Das sagte der nationale Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan. Sein Chef, US-Präsident Joe Biden, hatte Putin zuvor erneut einen "Kriegsverbrecher" genannt.
Noch gebe es keine Beweise, dass die Gräuel in der ukrainischen Stadt Butscha als Völkermord einzustufen seien, so Sullivan. Die USA hätten sich aber an vier Stellen gewandt, um die Beweise für ein Verfahren zu bekommen. Dazu gehörten die Informationen, die die USA und befreundete Länder unter anderem von Geheimdiensten hätten, Beobachtungen der Ukrainer im Land selbst, Erkenntnisse von internationalen Organisationen wie den Vereinten Nationen sowie Interviews, die weltweit von unabhängigen Medien geführt worden seien.
Pentagon: Russische Kräfte für Gräueltaten verantwortlich
Nach Ansicht des US-Verteidigungsministeriums sind die russischen Streitkräfte eindeutig für die Gräueltaten in der ukrainischen Stadt Butscha verantwortlich. "Ich denke, es ist ziemlich offensichtlich - nicht nur für uns, sondern für die Welt - dass russische Kräfte für die Gräueltaten in Butscha verantwortlich sind", sagte der Sprecher des Pentagons, John Kirby. Die USA könnten nicht genau sagen, welche Einheiten dort im Einsatz gewesen seien, aber es gebe keine Zweifel, dass die Gräueltaten stattgefunden hätten und eine Tat der russischen Kräfte seien, sagte Kirby.
Am Montag veröffentlichte US-Satellitenbilder sollen zudem bestätigen, dass einige der in Butscha gefundenen Leichen bereits vor dem Abzug der russischen Truppen dort gelegen haben. Die "hochauflösenden" Bilder "bestätigen die jüngsten Videos und Fotos in den sozialen Medien, auf denen Leichen zu sehen sind, die seit Wochen auf der Straße liegen", erklärte ein Sprecher der US-Satellitenbildfirma Maxar Technologies.
Am Wochenende hatten die Bilder der Verbrechen aus Butscha weltweit großes Entsetzen ausgelöst. In der Vorortgemeinde der Hauptstadt Kiew wurden am Wochenende nach dem Rückzug der russischen Truppen Hunderte Leichen entdeckt. Einige lagen mit gefesselten Händen auf der Straße. Auch in anderen Gemeinden in der Umgebung Kiews wurden Todesopfer entdeckt. Die Ukraine macht für die vielen Toten in Butscha russische Truppen verantwortlich.
Russischer UN-Botschafter: Gräueltaten in Butscha "inszeniert"
Russlands UN-Botschafter Wassili Nebensja bezeichnete die Gräueltaten in Butscha am Abend als "inszenierte Provokation". Es handele sich dabei um eine "abscheuliche Provokation des Regimes in Kiew", so Nebensja bei einer Pressekonferenz in New York. Das russische Militär habe das, wofür es beschuldigt werde, nicht getan, es habe keine Gräueltaten gegen Zivilisten in der Ukraine begangen. "Das ist nicht der Fall, das war nicht der Fall, und das wird nie der Fall sein."
Für all das habe Russland Beweise, die es sobald wie möglich dem UN-Sicherheitsrat vorlegen werde, sagte Nebensja weiter. Russland hatte bereits für Montag eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats beantragt. Die derzeitige britische Präsidentschaft des Rates beließ es aber bei der bereits angesetzten Sitzung heute, was Nebensja scharf kritisierte. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj will dann vor dem UN-Sicherheitsrat sprechen.
USA wollen Suspendierung Russlands aus UN-Menschenrechtsrat
Die USA forderten derweil einen zeitweisen Ausschluss Russlands aus dem UN-Menschenrechtsrat. Es gebe immer mehr Berichte über Menschenrechtsverletzungen russischer Invasionstruppen in der Ukraine, sagte UN-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield. Russland solle deshalb seinen Sitz im Menschenrechtsrat verlieren.
Der UN-Menschenrechtsrat hat 47-Mitgliedstaaten. Über eine Suspendierung Russlands müsste die UN-Vollversammlung entscheiden. Deren Sprecherin Paulina Kubiak sagte, das Gremium habe noch keinen Antrag für eine Sitzung zu diesem Thema erhalten.
Unterstützung erhielten die USA bei ihrem Vorstoß aus London. Auch die britische Außenministerin Liz Truss forderte, Russland aus dem Menschenrechtsrat auszuschließen. "Angesichts starker Belege für Kriegsverbrechen, darunter Berichte über Massengräber und ein abscheuliches Blutbad in Butscha, kann Russland kein Mitglied des UN-Menschenrechtsrats bleiben", erklärte Truss auf Twitter. "Russland muss suspendiert werden."
Der russische UN-Botschafter Nebensja reagierte offensichtlich irritiert auf den Versuch, die Mitgliedschaft Russlands im UN-Menschenrechtsrat suspendieren zu lassen. "Dies ist wieder einmal beispiellos und wird die Friedensgespräche zwischen Russland und der Ukraine weder erleichtern noch fördern noch unterstützen." Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba sagt indessen, es sei "kein Platz für Russland im UN-Menschenrechtsrat".
Ukraine: Leichen von fünf gefesselten Männern in Keller in Butscha gefunden
In einem Keller in Butscha sind nach Angaben der ukrainischen Generalstaatsanwaltschaft die Leichen von fünf gefolterten Männern entdeckt worden. Es handele sich um "unbewaffnete Zivilisten", die von russischen Soldaten getötet worden seien, teilte die Behörde am Abend im Onlinedienst Telegram mit. Sie seien mit gefesselten Händen im Keller eines Kindersanatoriums in dem Kiewer Vorort gefunden worden. Es seien Ermittlungen eingeleitet worden, hieß es weiter. Dazu veröffentlichte die Behörde Fotos. Die Ukraine beschuldigt die russische Armee, in Butscha ein "Massaker" an Zivilisten verübt zu haben.
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft hat nach eigenen Angaben bereits mehr als 7000 Meldungen über russische Kriegsverbrechen in der Region um Kiew registriert. Die meisten Opfer habe es in Borodjanka gegeben, erklärte Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa der Agentur "Unian" zufolge am Abend. "Ich denke, wir werden gesondert über Borodjanka sprechen", sagte sie demnach.
Die Generalstaatsanwaltschaft arbeitet den Angaben nach bereits an der Aufarbeitung von Kriegsverbrechen in Irpin, Butscha und Worsel.
Auch der ukrainische Innenminister Denys Monastyrskyj sicherte eine schnelle unabhängige Überprüfung und Dokumentation der Gräueltaten von Butscha zu. "Sobald die Brücken repariert sind, die die Russen beim Rückzug gesprengt haben, werden Sachverständige Zugang erhalten", sagte er dem "Tagesspiegel". "Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz ist schon involviert in die Beweismittelsammlung", sagte der Minister. Auch Fachleute des Internationalen Strafgerichtshofs und anderer Behörden sollen einbezogen werden.