Spannungen um die Ukraine Truppenbewegungen und Drohgebärden
Seit Tagen nehmen die Spannungen zwischen den USA und Russland zu - Grund ist die Ukraine. Nun sicherte US-Präsident Biden der Regierung in Kiew Unterstützung zu. Russland warnte den Westen vor Truppenentsendungen.
Der Konflikt um die Ostukraine heizt die Spannungen zwischen den USA und Russland an. Berichten über umfangreiche Truppenbewegungen russischer Streitkräfte an die Grenze der Ukraine folgten Warnungen und Drohgebärden.
Nun äußerte sich US-Präsident Joe Biden: Er sicherte der Ukraine die "unerschütterliche Unterstützung der Vereinigten Staaten für die Souveränität und Integrität der Ukraine angesichts der andauernden russischen Aggression im Donezkbecken und auf der Krim" zu. Das teilte das Weiße Haus nach einem Telefonat Bidens mit seinem ukrainischem Amtskollegen Wolodymyr Selenskij mit.
Zuvor hatte US-Außenamtssprecher Ned Price von einer "Eskalation des aggressiven und provokativen Vorgehens Russlands im Osten der Ukraine" gesprochen. Er warnte Russland vor Versuchen, "unseren Partner Ukraine einzuschüchtern oder zu bedrohen".
Militärübung nahe der ukrainischen Grenze
Die russische Führung ihrerseits warnte vor einer Entsendung westlicher Truppen in die Ukraine. "Ein solches Szenario würde zweifellos zu einem weiteren Anstieg der Spannungen in der Nähe der russischen Grenzen führen", sagte der Sprecher von Präsident Wladimir Putin, Dmitri Peskow. Dies würde zusätzliche Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit erfordern. Russland hingegen "bedroht niemanden und hat nie jemanden bedroht", behauptete Peskow.
Jedoch kündigten die russischen Streitkräfte nun eine Anti-Drohnen-Übung nahe der ukrainischen Grenze an. Es würden 50 Bataillone mit 15.000 Soldaten teilnehmen. Die Teilnehmer sollen demnach in "elektronischer Kriegsführung und der Flugabwehr zum Schutz vor Drohnenangriffen" geschult werden. Ein genauer Zeitpunkt für das Stattfinden der Übung wurde nicht genannt.
"Eskalation" an der Frontlinie
Peskow beharrte darauf, dass sein Land "kein Teilnehmer des Konflikts" in der Ukraine sei und beschuldigte die ukrainischen Streitkräfte zahlreicher Provokationen in der Region. Anfang der Woche hatte er eine Zunahme der Kämpfe in der Region bestätigt.
Das Parlament der Ukraine sprach in einer Erklärung von einer "Eskalation" an der Frontlinie und konstatierte eine "signifikante Zunahme des Beschusses und der bewaffneten Provokationen durch die Streitkräfte der Russischen Föderation". Am 26. März waren bei Auseinandersetzungen nahe der Ortschaft Schumi vier ukrainische Soldaten getötet und zwei verletzt worden. Zuletzt war im Juni 2020 der Waffenstillstand im Donbass erneuert worden.
Zahlreiche Abfangmanöver
Als Reaktion auf die Lage in der Ostukraine und die russischen Truppenbewegungen an der Grenze zur Ukraine erhöhten die US-Streitkräfte in Europa ihren Alarmstatus auf die höchste Stufe, wie die "New York Times" und weitere Medien berichteten.
Die NATO teilte zudem mit, Anfang der Woche seien nahe dem Bündnisgebiet ungewöhnlich viele russische Militärflugzeuge gesichtet worden. Bei Abfangmanövern über dem Nordatlantik sowie dem Schwarzen Meer und der Nord- und Ostsee seien am Montag innerhalb von weniger als sechs Stunden sechs unterschiedliche Gruppen mit Bombern und Kampfjets aus Russland identifiziert worden. Dies sei ein außergewöhnlicher Spitzenwert gewesen.
Daraufhin berichtete die russische Zeitung "Roter Stern", russische Radarstationen hätten 37 ausländische Spionageflugzeuge und 13 Drohnen entlang der Staatsgrenze geortet.
Demonstration der Stärke...
Experten spekulieren über die Absichten Putins - verfolgt er in der Ukraine militärische Ziele, will er Bidens Entschlossenheit testen oder ist eine reine Machtdemonstration?
Der Militärexperte Michael Kofman zum Beispiel sieht im Moment in den russischen Truppenbewegungen nicht unbedingt die Vorbereitung eines Angriffs, sondern eine Demonstration der Stärke. Sie seien ungewöhnlich und darauf ausgelegt, wahrgenommen zu werden, schreibt Kofman auf Twitter. Er verwies aber auch darauf, dass der Aufmarsch noch im Gange sei und noch kein vollständiges Bild ergebe. Die Lage sei mit Vorsicht wahrzunehmen.
... und innenpolitische Motive?
Der russische Journalist Konstantin Eggert, der für die Deutsche Welle arbeitet, erinnert wiederum in einem Artikel an eine Aussage Putins beim Davos-Forum Ende Januar: Propaganda und Aggressivität gegen Russland nähmen zu. Ein solches Spiel ohne Regeln erhöhe das Risiko einer einseitigen Anwendung von militärischer Gewalt, so der russische Präsident. Staatliche und regierungsnahe Sender in Russland behaupteten daraufhin, die Ukraine bereite einen Krieg vor.
Eggert sieht dafür innenpolitische Gründe: die anstehende Duma-Wahl im September einerseits und den Umfang von Protesten im Zusammenhang mit der Vergiftung des Regierungskritikers Alexej Nawalny andererseits. Die Annexion der Krim im Jahr 2014 hatte Putin eine Zustimmungsrate von 70 Prozent eingebracht. Zwar sei ein solch starker Effekt nicht mehr zu erwarten, meint Eggert. Aber Putins Kritiker, einschließlich Nawalny, stünden vor einer schwierigen Entscheidung: entweder Putin zu unterstützen oder in Russland als unpatriotischer Handlanger des Westens angesehen zu werden.
Für einen massiven Militäreinsatz sprächen weitere Motive: Eine Landverbindung zwischen Russland und der annektierten Krim zu schaffen, dabei die Industrie- und Hafenstadt Mariupol einzunehmen und die problematische Wasserversorgung der Krim sicherzustellen. Doch ein Merkmal Putinscher Politik ist deren Unvorhersehbarkeit.