Verteidigung gegen Russland Selenskyj verkündet Test ukrainischer Rakete
Die Ukraine versucht, weniger abhängig von Waffenlieferungen aus dem Westen zu werden, um sich gegen Russland zu verteidigen. Nun gab Präsident Selenskyj bekannt, sein Land habe erfolgreich eine Rakete aus Eigenproduktion getestet.
Die Ukraine hat nach den Worten von Präsident Wolodymyr Selenskyj erstmals eine ballistische Rakete aus eigener Produktion erfolgreich getestet. Ein kürzlich erfolgter Test sei "positiv" verlaufen, sagte Selenskyj. Er beglückwünschte die ukrainische Rüstungsindustrie, nannte aber keine Einzelheiten zu der Rakete.
Ballistische Raketen starten in aller Regel senkrecht und werden später in Zielrichtung gelenkt. Im Zielanflug werden sie nicht mehr aktiv angetrieben, sondern stürzen einfach von oben herab. Der militärische Nutzen einer solchen Waffe bemisst sich auch in der Reichweite - dazu sagte Selenskyj allerdings nichts.
Am Montag hatte Verteidigungsminister Rustem Umjerow gesagt, die Ukraine arbeite an eigenen Waffen mit großer Reichweite. Die Ukraine bemüht sich schon seit längerem um den Ausbau ihrer Rüstungsindustrie, um in der Verteidigung gegen den russischen Angriffskrieg weniger abhängig von westlicher Militärhilfe zu werden. Vor einigen Tagen hatte Selenskyj einen anderen ukrainischen Eigenbau vorgestellt: die Kampfdrohne "Paljanytsja" mit Jet-Antrieb.
Selenskyj: F-16-Jets wehren Luftangriffe ab
Selenskyj gab zudem den Einsatz von westlichen F-16-Kampfjets zur Abwehr der jüngsten russischen Drohnen- und Raketenangriffe bekannt. Das ukrainische Militär habe "bereits einige Raketen und Drohnen unter Einsatz der F-16 zerstört", sagte der ukrainische Präsident. Er hatte am 4. August die Ankunft der ersten F-16-Jets in der Ukraine verkündet, nachdem das Land mehr als zwei Jahre lang auf die Lieferung gewartet hatte.
Anlässlich des Eintreffens der ersten F-16-Maschinen unterstrich die Regierung in Kiew erneut, dass die bereitgestellte Zahl der Jets aus ihrer Sicht nicht ausreichend sei. Russland hatte die Ukraine in den vergangenen zwei Nächten massiv mit Raketen und Drohnen angegriffen.
Mindestens fünf Tote bei russischen Angriffen
Das jüngste russische Bombardement kostete nach ukrainischen Behördenangaben mindestens fünf Menschen das Leben, 16 wurden verletzt. Zwei Menschen starben durch einen Raketentreffer auf ein Hotel in Krywyj Rih. Nach Drohnenangriffen auf Saporischschja wurde erst von zwei, dann von drei Toten berichtet. "Wir werden unzweifelhaft Russland auf diese und alle anderen Attacken antworten", schrieb Selenskyj im sozialen Netzwerk X. "Verbrechen gegen die Menschlichkeit dürfen nicht ungestraft bleiben."
Wegen des nächtlichen Luftalarms flüchteten nach Medienberichten 52.000 Menschen in Kiew in U-Bahnhöfe, die als Bunker dienen. Herabstürzende Trümmer lösten am östlichen Stadtrand der Millionenstadt Grasbrände aus. Alle Objekte im Anflug auf Kiew seien abgeschossen worden, teilte die Militärverwaltung des Kiewer Umlands mit.
Während des Luftalarms suchten - wieder einmal - viele Menschen in der Kiewer Metro Schutz.
Massiver Einsatz von Drohnen und Raketen
Treffer und Schäden gab es nach regionalen Behördenangaben in den Gebieten Sumy, Charkiw, Donezk, Cherson und Chmelnyzkyj. Nach Angaben der ukrainischen Luftwaffe konnten fünf russische Marschflugkörper und 60 von 81 eingesetzten Drohnen abgefangen werden. Drei Hyperschallraketen vom Typ "Kinschal" und zwei Raketen des Typs "Iskander" wurden nicht getroffen.
Die Zahlen, die das Militär bekannt gibt, sind nicht im Detail überprüfbar, vermitteln aber einen Überblick über das Ausmaß des Angriffs. Die Attacke richtete sich nach Einschätzung von Beobachtern erneut vor allem gegen das Energiesystem der Ukraine. Am Montag hatte Russland einen Angriff mit 127 Raketen und Marschflugkörper sowie mehr als 100 Kampfdrohnen gegen die Ukraine geflogen. Das war die höchste vom ukrainischen Militär gemeldete Zahl in zweieinhalb Jahren Krieg.
Ukraine zählt 30.000 russische Soldaten bei Kursk
In der russischen Region Kursk drang die ukrainische Armee nach Angaben von Oberbefehlshaber Olexander Syrskyj unterdessen weiter vor. Demnach haben die Streitkräfte seit ihrem Einmarsch vor drei Wochen 100 Ortschaften und knapp 1.300 Quadratkilometer Fläche unter ihre Kontrolle gebracht. Syrskyj sagte, bei ihrem Vormarsch hätte die Armee 594 Kriegsgefangene gemacht. Seine Angaben konnten nicht von unabhängiger Seite überprüft werden.
"Der Feind zieht Truppen aus anderen Richtungen heran und schwächt sie so", sagte Syrskyj über die Lage in Kursk. "Sie versuchen, einen Verteidigungsring um unsere offensiven Truppengruppen zu bilden und planen Gegenoffensiven." Mittlerweile habe Russland fast 30.000 Soldaten in die Region Kursk geschickt, und es würden noch mehr, sagte der Oberbefehlshaber. Insofern gehe der Plan auf, dass Moskau Truppen nach dort verlegen müsse. Allerdings sind allen Berichten zufolge die russischen Angriffe gerade im Gebiet Donezk nicht weniger geworden, wo die ukrainische Armee schwer unter Druck ist.
Das russische Verteidigungsministerium teilte mit, die Ukraine habe in Kursk schwere Verluste erlitten. Rund 6.600 Soldaten seien getötet oder verletzt worden. Zudem seien mehr als 70 Panzer sowie Dutzende gepanzerte Fahrzeuge zerstört worden. Auch diese Zahlen lassen sich nicht unabhängig überprüfen.
Russland meldet ukrainische Angriffe im Gebiet Belgorod
Unterdessen meldeten russische Behörden im Gebiet Belgorod, dass die Ukraine weitere Vorstöße über die Grenze versuche. Die Situation vor Ort bleibe schwierig, sei aber unter Kontrolle, schrieb der Gouverneur der Region, Wjatscheslaw Gladkow, auf Telegram. Nach unbestätigten Medienberichten gab es Gefechte bei dem Übergang Nechotejewka sowie bei Schebekino. Die ukrainische Seite äußerte sich nicht zu angeblichen Angriffen.