Raketenangriff auf Hrosa "Das war keine blinde Attacke"
Mehr als 50 Menschen sind bei dem russischen Angriff auf ein Café und ein Geschäft in der Ostukraine getötet worden - laut Präsident Selenskyj ein Sechstel der Dorfbevölkerung. UN und EU verurteilten den Angriff scharf.
Der schwere russische Raketenangriff auf das Dorf Hrosa im ostukrainischen Gebiet Charkiw mit mehr als 50 Toten hat international Entsetzen ausgelöst. Russlands Armee sei "das absolut Böse", sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache. Auch Vertreter von EU und den Vereinten Nationen verurteilten den brutalen Angriff auf die Zivilisten scharf.
Laut Selenskyj lebten in Hrosa zuletzt etwas mehr als 300 Menschen. Bei dem Angriff - der als der schlimmste galt, den es seit Kriegsbeginn im Gebiet Charkiw gab - ist demnach ein Sechstel der Dorfbevölkerung gestorben. "Das ist eine brutale, genozidähnliche Aggression Russlands", bilanzierte der ukrainische Staatschef.
Laut Behörden Angriff während Trauerfeier
"Das war ein absichtlicher Raketenangriff auf ein Dorf im Charkiwer Gebiet, der auf ein Lebensmittelgeschäft und ein Café abzielte", sagte Selenskyj. "Das russische Militärpersonal kann nicht im Unklaren darüber gewesen sein, wo es zuschlug. Das war keine blinde Attacke." Nach ukrainischen Behördenangaben wurden durch den russischen Raketenbeschuss in Hrosa unweit der Stadt Kupjansk 51 Menschen getötet, darunter ein sechs Jahre altes Kind. Drei Menschen galten als vermisst.
Zum Zeitpunkt des Angriffs hatten die Dorfbewohner sich demnach in dem Café zu einer Trauerfeier für einen verstorbenen Bürger versammelt. Die Bergungsarbeiten wurden am Abend abgeschlossen, hieß es, weitere Opfer seien unter den Trümmern nicht gefunden worden.
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Borrell sieht "düsteren Meilenstein"
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell verurteilte den russischen Angriff scharf. "Russlands entsetzlicher Terror gegen die Zivilbevölkerung der Ukraine lässt nicht nach und hat heute einen weiteren düsteren Meilenstein erreicht", teilte Borrell mit. Es sei ein abscheulicher Angriff auf unschuldige Zivilisten. Vorsätzliche Attacken auf Zivilisten seien Kriegsverbrechen.
Auch UN-Generalsekretär Antonio Guterres machte Moskau schwere Vorwürfe. "Angriffe auf Zivilisten und zivile Infrastruktur sind nach dem humanitären Völkerrecht verboten und müssen sofort eingestellt werden", forderte Guterres über seinen Sprecher Stephane Dujarric. Dieser ließ dabei keinen Zweifel daran, dass die UN-Vertreter vor Ort Russland als verantwortlich für den Angriff sehen.
Beide Seiten berichten von weiteren Angriffen
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) verurteilte den Angriff ebenfalls und sicherte Kiew ein weiteres Mal fortlaufende Unterstützung zu. "Solange Bomben auf Supermärkte und Cafés hageln, tun wir alles dafür, dass sich die Ukraine vor Putins Raketenterror schützen kann", schrieb Baerbock auf X, früher Twitter. Man führe das fort, "bis ein Alltag ohne Angst und Tod wieder möglich ist."
Nach Darstellung ukrainischer Medien griffen russische Militärs in der Nacht erneut Ziele in der Ukraine mit sogenannten Kamikaze-Drohnen an. Die in drei Wellen anfliegenden Drohnen hatten unter anderem Tscherkassy im Landesinneren und die südukrainische Hafenstadt Odessa zum Ziel. In beiden Städten wurde die Luftabwehr aktiv.
Russland wiederum berichtete von ukrainischen Attacken. Unter anderem sei am frühen Morgen der Marinestützpunkt in Sewastopol auf der besetzten Halbinsel Krim mit ukrainischen Drohnen angegriffen worden, teilte die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass mit.
Schraffiert: von Russland besetzte Gebiete