Ukraine Zerstörerische Software auf Regierungs-PCs
Sicherheitsforscher haben auf Computern in der Ukraine neue Schadsoftware entdeckt. Sie vermuten einen Angriff im Auftrag eines Staates. Außenministerin Baerbock wird morgen in Kiew erwartet - vor dem Hintergrund des Ukraine-Konflikts eine schwierige Reise.
Sicherheitsforscher von Microsoft haben auf Dutzenden Computern in der Ukraine neue Schadsoftware entdeckt, die sie unbrauchbar machen könnte. Das Programm tarne sich zwar als ein Erpressungstrojaner, sei aber in Wirklichkeit dafür gedacht, auf Befehl des Angreifers Daten zu zerstören, teilte Microsoft mit. Die Software sei unter anderem auf Computern von Regierungsbehörden und IT-Spezialisten gefunden worden. Microsoft sieht ein erhöhtes Risiko für alle Computersysteme in der Ukraine.
Microsoft vermutet Auftrag eines Staates
Die Experten äußerten sich nicht zur möglichen Herkunft der Attacke. Man habe bisher keine Übereinstimmungen mit Aktivitäten bereits bekannter Gruppen gefunden, hieß es. Zugleich machte Microsoft deutlich, dass dahinter ein im Auftrag eines Staates agierender Angreifer vermutet werde.
Bisherige Cyberattacken in der Ukraine werden von westlichen IT-Experten und Behörden als Werk russischer Hacker gesehen, zum Teil mit Verbindung zu Geheimdiensten.
Erst am Freitag wurden Websites ukrainischer Behörden Ziel eines Angriffs und zeigten eine Botschaft der Hacker an. Betroffen waren unter anderem das Außenministerium, das Energieministerium und das Zivilschutzministerium. Auch in diesem Fall gab es bisher keine Angaben dazu, wer dahinterstecken könnte.
Steckt Russland hinter Cyberangriff?
Kiew hat eigenen Angaben zufolge "Beweise" für eine Beteiligung Russlands an dem massiven Cyberangriff. "Alle Beweise deuten darauf hin, dass Russland hinter dem Cyberangriff steckt", erklärte das ukrainische Ministerium für digitale Transformation. Zuvor hatte Kiew erklärt, es gebe "Hinweise" auf eine mögliche Verwicklung russischer Geheimdienste.
Moskau wies diese Vorwürfe zurück und erklärte, es gebe dafür keine Beweise. "Die Ukrainer schieben alles auf Russland, sogar das schlechte Wetter in ihrem Land", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow dem Sender CNN.
Angesichts eines massiven russischen Truppenaufmarsches an der Grenze zur Ukraine gibt es Befürchtungen, Moskau könnte das Nachbarland angreifen. Damit bekommt der Fund von Software, die Regierungscomputer außer Gefecht setzen könnte, besondere Brisanz.
Ukrainischer Botschafter fordert Waffenlieferungen
Mehrere diplomatische Krisengespräche in den vergangenen Tagen sollten die Spannungen verringern, brachten jedoch keinen Durchbruch. Somit steht Außenministerin Annalena Baerbock vor ihrer bisher schwierigsten Reise. Kurz vor ihrem Antrittsbesuch in Kiew forderte der ukrainische Botschafter in Berlin die Grünen-Politikerin eindringlich auf, der Ukraine die Lieferungen von Waffen zur Landesverteidigung zuzusagen. Die Zurückhaltung oder sogar Ablehnung von Waffenlieferungen durch Baerbock und die gesamte neue Bundesregierung sei "sehr frustrierend und bitter", sagte Botschafter Andrij Melnyk der Nachrichtenagentur dpa. "Nun ist der Moment der Wahrheit gekommen, wer der echte Freund ist."
Den Ukrainern sei zwar bewusst, dass im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP eine restriktive Rüstungsexportpolitik festgeschrieben sei, die keine Waffenlieferungen in Krisengebiete zulasse, so Melnyk. "Aber dieses politische Dokument ist ja keine Bibel. Und die Welt steht derzeit vor der größten Gefahr eines riesigen Krieges mitten in Europa, des schlimmsten seit 1945."
Die Staatlichkeit der Ukraine werde vom russischen Präsidenten Wladimir Putin bedroht. Die Ukrainer hätten das "heilige Recht auf Selbstverteidigung". Die Ukraine fordert seit Jahren Waffenlieferungen von Deutschland, um sich gegen einen möglichen russischen Angriff verteidigen zu können - bisher ohne Erfolg.
FDP-Wehrexpertin rät zu Härte
Die FDP-Wehrexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann riet indes zu Härte gegenüber Russland. Russlands Präsident Wladimir Putin verfolge "Großmachtfantasien" und wolle "zurück in die Zeit des Kalten Kriegs", sagte die Vorsitzende des Bundestags-Verteidigungsausschusses der Nachrichtenagentur AFP. "Putin versteht nur glasklare Ansagen - inklusive der möglichen Folgen."
Die FDP-Politikerin begrüßte, dass es in der vergangenen Woche eine Reihe diplomatischer Kontakte auf internationaler Ebene mit Russland gegeben habe. Der Westen müsse sich im Dialog mit Russland allerdings vor zu großen Zugeständnissen hüten, warnte sie. "Putin testet aus, wie weit er gehen kann, er führt uns vor und zwingt uns das Narrativ auf, dass wir uns bewegen müssen", sagte Strack-Zimmermann. Der Kreml-Chef "provoziert auf allen Ebenen".