Krieg gegen die Ukraine Beschwichtigungen - und wachsende Skepsis in Russland
Russland setzt seine Angriffe auf die Ukraine unvermindert fort. Verteidigungsminister Schoigu versucht, die Verluste auf ukrainischer Seite herauszustellen. Doch in Russlands Bevölkerung wachsen die Zweifel.
Kein Tag, an dem das russische Staatsfernsehen nicht ausführlich über das Vorgehen der russischen Armee berichtet. Die Streitkräfte hätten nicht nur die ukrainische Gegenoffensive erfolgreich abgewehrt, betont der Verteidigungsminister Sergej Schoigu. Sondern auch Schritt für Schritt die eigene Position verbessert.
Schoigu spricht von enormen Verlusten der Ukraine
Der Gegner, behauptet Schoigu, habe enorme Verluste zu beklagen: "Insgesamt hat der Feind seit Anfang des Monats mehr als 13.700 Menschen verloren und etwa 1.800 diverse Waffen und militärische Ausrüstung." Es sind Zahlen, die belegen sollen, dass es vorangeht.
Dass aber auch im zweiten Kriegswinter wieder und weiter um dieselben Orte und Städte gekämpft wird - um Awdijiwka zum Beispiel oder Kupjansk, fällt trotzdem auf.
"Es scheint Neuigkeiten von der Front zu geben, aber sie führen nirgendwo hin", fasst es der Gründer der unabhängigen Meinungsforschungsgruppe Russian Field, Artemij Wwedenskij zusammen. "Das führt - wie jüngste Umfragen belegen - gelinde gesagt zu Irritationen." Jeder Zweite stehe den offiziellen Nachrichten über den Verlauf der Militäroperation inzwischen skeptisch gegenüber.
Meinungsforscher: In Russland macht sich Ermüdung breit
Generell, so Wwedenskij, mache sich eine gewisse Ermüdung breit. Erstmals hätten sich mehr Befragte für Friedensgespräche als für eine Fortsetzung der Militäroperation ausgesprochen. "Die Leute wollen, dass es endet", so Wwedenskij.
Allerdings - auch das lässt sich aus den Umfragen herauslesen - nicht auf Kosten Russlands. Einen Abzug ohne Wenn und Aber würde nur eine Minderheit befürworten. Denn so furchtbar eine Mehrheit den Krieg auch findet, die vom Kreml ausgerufene Militäroperation wird trotzdem mitgetragen - zumindest passiv, solange es keine weitere Mobilisierungswelle gibt.
Die erste und bisher einzige Teilmobilisierung vor 15 Monaten wirkt bis heute nach. Immer wieder versetzen Gerüchte in den sozialen Medien über eine neue Rekrutierungswelle die Gesellschaft in Aufruhr.
Zudem haben sich nun Ehefrauen und Mütter der damals Mobilisierten zu einer Bewegung zusammengeschlossen. Sie fordern mit immer mehr Nachdruck öffentlich die Rückkehr ihrer Männer und Söhne, die aus ihrer Sicht lange genug an der Front ausgeholfen haben.
Die militärische Spezialoperation, so die Reporterin Maria Andrejewa des Senders Nastojaschee Vremja, sei zwar eine notwendige Maßnahme. Aber letztlich Sache der Armee. "Wenn wir einen militärischen Konflikt auf fremdem Territorium führen - und wir führen einen militärischen Konflikt auf fremdem Territorium - dann sollte dies durch die Hände einer Vertragsarmee und nicht durch die Zivilbevölkerung geschehen."
Kein Ende des Krieges in Sicht
Noch lassen die Behörden die Bewegung weitgehend unbehelligt agieren. Anders als im Fall tausender Menschen in Russland, die für öffentlich geäußerte Kritik am Krieg, egal wo und wie, zu Geld- und hohen Haftstrafen verurteilt wurden.
Ein Krieg, dessen Ende nicht absehbar ist. Und für den der russische Präsident Wladimir Putin weiter bereit ist, viel Geld auszugeben. Weit über 30 Prozent der Staatsausgaben sollen dem Haushaltsplan zufolge ans Militär gehen.